Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 154. Sitzung / 67

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe naturgemäß auch Verständnis für die Rolle des ORF, der sagt, wir brauchen die Einnahmen aus der Werbung, um ein ordentliches Programm machen zu können und auch um den öffentlich-rechtlichen Rundfunkauftrag zu erfüllen. Aber dann, bitte, kann das nur Zug um Zug mit einer Gebührensenkung gehen. Wenn es eine Ausdehnung der Werbezeiten gibt und damit eine Ausdehnung der Einkünfte, dann nur Zug um Zug mit einer Senkung der Gebühren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.10

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Schieder. – Herr Abgeordneter, Sie wollen eine Redezeit von 10 Minuten? (Abg. Schieder: Eingestellt zumindest!) Ich stelle auf alle Fälle 10 Minuten ein. – Bitte.

13.10

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Immer wenn es um Rundfunkpolitik geht, insbesondere wenn es um Fernsehen geht, gibt es in unserem Land eine bemerkenswerte kognitive Dissonanz oder, wenn Sie so wollen, ein Auseinanderklaffen zwischen primärem und sekundärem Wollen.

Auf der einen Seite bekennt sich jeder zu einem starken österreichischen, zu einem nationalen Fernsehen in der neuen europäischen Landschaft, bekennt sich jeder zu einem starken öffentlich-rechtlichen ORF. Wenn es aber dann darum geht, dieses Bekenntnis auch mit dem zweiten Wollen in die Tat umzusetzen, dann mangelt es meistens daran. Ich muß all jenen, die hier auch in ihrer persönlichen Meinung auseinanderklaffen, mit aller Deutlichkeit sagen: Wenn man sich kräftige österreichische Lebenszeichen auf dem Fernsehsektor in Europa erwartet, dann darf man nicht mit praktischen Maßnahmen dem ORF das Lebenslicht ausblasen oder ihm das wirtschaftliche Leben schwermachen. – Das geschieht leider sehr oft.

Wenn man den ORF will, dann muß man ihm auch das Bestehen ermöglichen, auch durch den Gesetzgeber. Deshalb bin ich sehr froh, daß neben den wichtigen europäischen Anpassungen in dieser Novelle auch Dinge wie Feiertagsregelung und Jahresausgleich enthalten sind, die dazu beitragen, daß es diesen starken nationalen ORF weiterhin geben wird und somit auch eine österreichische Stimme in diesem zusammenwachsenden Europa.

Das zweite – das möchte ich auch insbesondere dem Kollegen Krüger sagen –: Alle, die hier so schön von Grundrechten, von Vielfalt, von Dualismus und von privaten Möglichkeiten sprechen, übersehen eines, übersehen unser Land als Land der Berge. Es ist die Beschaffenheit unseres Landes, die es unmöglich macht, auf einer Vielzahl von Kanälen terrestrisches Fernsehen zu senden. De facto besteht die Möglichkeit für terrestrisches Senden von drei Programmen in ganz Österreich. Wenn nun zwei davon der ORF hat und ein drittes einem Privaten gegeben werden soll, dann schafft das nicht jenes Grundrecht für jeden Privaten, auch Fernsehen zu betreiben, sondern dann schafft es für einen Auserwählten dieses Recht und vernachlässigt natürlich die Rechte vieler anderer, die vielleicht auch Fernsehen betreiben wollen.

Dritte Bemerkung oder dritter Fehler, der oft in der Debatte gemacht wird: Man tut so, als ob das Verhältnis Rundfunk zu Zeitungen dem von kommunizierenden Gefäßen entspräche, in denen die Merkflüssigkeit eine fixe Menge hat, und man glaubt, wenn man sie bei einem Gefäß hinunterdrückt – zum Beispiel das Werbeaufkommen –, dann wird sie beim anderen automatisch steigen. Das ist eine krasse Verkennung aller Mechanismen des Marktes und außerdem ein gedanklicher Fehler dahin gehend, daß die Erfahrung in allen anderen Ländern zeigt, daß ein Mehr an Werbung auf einem Sektor nicht dazu führt, daß es bei den anderen Sektoren automatisch herunterfällt, sondern daß dieses Mehr an Werbung dazu führen kann, daß in dem Land insgesamt – auch über dieses Mehr hinausgehend – ein Mehr an Werbung stattfindet, eine neue Einstellung zur Werbung entsteht, sodaß ein Mehr bei einem auch dem anderen hilft, mehr an Einnahmen durch die Werbung zu erhalten.

Vierte Bemerkung: Dieses Gesetz ist sehr wichtig. Deshalb haben wir, um es auch bei unserem Partner durchzubringen, manche Dinge in Kauf genommen. Vieles vertreten wir gemeinsam, in vielen Dingen gibt es ein gemeinsames Wollen der Regierungsparteien, der Koalitionsparteien.


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