Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 154. Sitzung / 74

wesentlichen das, was nicht nur nicht verhinderbar ist, nämlich die Fernsehrichtlinie, sondern was Sinn macht, absolut Sinn macht. Selbstverständlich sagen wir dazu ja! Wir sagen auch ja zur Neuregelung bei den Werbezeiten, weil dies in unseren Augen ein Baustein für die wirtschaftliche Grundlage des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist. Deshalb haben wir Interesse daran, daß das heute hier beschlossen wird, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Wir wollen aber diese unsere Zustimmung mit der Aufforderung, mit der Bitte verknüpfen – oder wir flehen den ORF auch an –, dem auch gerecht zu werden, indem er Qualität bietet, indem er nicht in die fünfziger Jahre zurückfällt, in denen es nur Regierungsfunk und so weiter gegeben hat. Er soll das auch ernst nehmen und auch sehen, daß es das Interesse des Parlaments, des Nationalrates ist, daß der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Österreich im Mittelpunkt steht.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren – alle Dinge haben ja mehrere Seiten, zumindest zwei –, es kann doch nicht so sein, daß ein Mitglied des Aufsichtsrates des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, nämlich Kollege Mag. Kukacka – Mitglied des Aufsichtsrates, Mitglied des Kuratoriums –, gleichzeitig Geschäftsführer eines Verlages ist, der ein Radio betreibt, das sich in direkter Konkurrenz zu dem Unternehmen befindet, in dessen Aufsichtsrat er ist. Das muß man sich einmal vorstellen, was sich Österreich leistet! Österreich leistet sich einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, in dessen Aufsichtsrat Menschen sitzen, die Konkurrenzunternehmen zu dem Unternehmen betreiben, in dessen Aufsichtsrat sie sind. Ich meine, das ist absurd! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Kukacka: Das stimmt nicht!) – Das ist ja absurd, aber das ist Realpolitik in Österreich! Dieser geht dann noch her und sagt, die Sozialdemokraten bremsen. (Abg. Mag. Kukacka: Ich betreibe kein Privatradio! Ich betreibe kein Privatradio!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jene, die kundig sind, wissen, was da gespielt wird. Da eben jener Herr Kukacka und Herr Kurator Schieder diese Hinterstübchenpolitik weiter betreiben und es diese öffentliche Diskussion nicht gibt, deshalb rührt das niemanden, deswegen regt sich niemand darüber auf, daß ein Kukacka in einem Kuratorium sitzt und gleichzeitig dem ORF Konkurrenz macht, obwohl er eigentlich nur Interesse am ORF, am wirtschaftlichen Überleben und am Programm haben und seinen Aufgaben im Kuratorium gerecht werden, diese wahrnehmen sollte. – Das, meine Damen und Herren, zur Glaubwürdigkeit der Regierungsfraktionen! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Kukacka: Dann kennen Sie das Rundfunkgesetz nicht! Sie kennen das Rundfunkgesetz nicht! Sie kennen das Rundfunkgesetz nicht!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jetzt komme ich noch – die Zeit ist knapp, und ich habe noch einiges vor bezüglich Minderheiten, Volksgruppen und Migranten im ORF – zu jenem Punkt, bei dem sich die Regierungsfraktionen gänzlich ad absurdum geführt haben: das Bekenntnis zum öffentlichen Rundfunk. Überall war zu hören, die Belangsendungen wollen wir nicht, das ist eine Belästigung der Hörer und Seher, was soll das, und wir wollen einen attraktiven ORF. – Seien Sie mir nicht böse, Belangsendungen sind für Hörer und Hörerinnen und Seher und Seherinnen alles, nur nicht attraktiv! Selbst von dem, was wir Grünen dort plazieren, würde ich nicht sagen, daß es das Gelbe vom Ei im ORF sei. Das sage ich sozusagen als Belangsendungsgestalterin und -anbieterin.

Dann macht die Regierung einen Vorschlag und sagt: Machen wir da einmal einen Schnitt – beim Verfassungsgerichtshof ist der Prozeß ohnehin in die Richtung gelaufen –, nur mehr politische Parteien im Sinne des politischen Wettstreits – es gibt eben auch Wahlen – sollen Belangsendungen haben. – Das bekommen wir als Regierungsvorlage. Wir sagen: Gut, es ist nicht das, was wir wollen – wir wollen die gänzliche Abschaffung von Belangsendungen, nicht in bezug auf Wahlauseinandersetzung gemeint –, aber wir sagen ja.

Und was machen die Parlamentsfraktionen der Regierungsparteien? Was bringen sie jetzt? – Sie bringen die Interessenverbände wieder her. Dies stellt doch allen Ernstes einen Rückfall in die fünfziger Jahre dar. Gesetzliche berufliche Interessenvertretungen, der Österreichische Gewerkschaftsbund und die Vereinigung der Österreichischen Industrie bekommen Belangsendungen wie eh und je. Es wird alles in den Stand vor dem Verfahren beim Verfassungsgerichtshof zurückversetzt. Der Verfassungsgerichtshof wird "ausgehebelt".


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