Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 154. Sitzung / 134

ländern! Wir wollen vor allem die gegenwärtige Zahl von 4 Millionen Arbeitslosen senken, damit wir überhaupt eine Legitimation haben, bei den nächsten Wahlen wiedergewählt zu werden!

Das ist die eine Seite. Sie ist zu akzeptieren, und die nationalen Beschäftigungsprogramme sind ein Puzzle in der Überlegung, die Beschäftigung in Europa insgesamt zu erhöhen. Aber ich muß mir in diesem Zusammenhang die Frage stellen: Mit welchem Ziel, mit welchen Instrumentarien? Warum will ich zum Beispiel das Agrarbudget reduzieren, senken? Wozu will ich neue finanzielle Handlungsspielräume für die EU erwirken? Was ist wirklich das Projekt, das ich habe, und mit welchen Instrumenten kann ich es erreichen? – Da sind noch viele Fragen offen, wir werden aber versuchen müssen, sie zu beantworten.

Was bedeutet die Institutionenreform für Österreich? Werden wir mehr Gewicht oder weniger Gewicht haben? Ist für uns eine Verfassung auf europäischer Ebene ein Vorteil oder ein Nachteil? Ist die Mehrheitsfähigkeit in der Bevölkerung schon so entwickelt, daß man sagt: Was in Europa ein Fortschritt ist, ist letztlich auch ein Fortschritt für Österreich? Heißt das: Was in Europa eine bessere Konjunktur, eine bessere Koordinierung der Wirtschaft, der Sozialpolitik, der Finanzpolitik bedeutet, ist auch für Österreich gut?

Wenn es gelingt, das alles zu vermitteln, daß man als Österreicher auch im österreichischen Sinn europäisch denkt, wiewohl man dann in Wirklichkeit österreichisch denkt, dann hat man schon eine bessere Voraussetzung und eine bessere Chance auf Mehrheitsfähigkeit für Vorhaben, die ursprünglich nicht mehrheitsfähig waren. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist das, was ich der FPÖ vorwerfe: Sie will nicht! Sie will das nicht, weil sie in dieser Hinsicht innenpolitisch kurzsichtig denkt und weil sie eben diesen Denkansatz nicht hat. – Aber die strategische Frage ist eine entscheidende!

Zweiter Punkt: Von den Oppositionsparteien wird immer der Eindruck erweckt, diese Bundesregierung wäre die Bundesregierung eines 50-, 60-, 70-Millionen-Staates. (Abg. Dr. Graf: Das haben Sie aber vor fünf Jahren behauptet!) Das ist sie nicht! Das heißt aber nicht, daß wir uns kleiner machen müssen, das heißt nicht, daß wir Gestaltungsverweigerung ansagen müssen. Das wurde wirklich nicht getan! Die Zeit, die die österreichische EU-Ratspräsidentschaft zu bewältigen hatte, gehört, wie Abgeordneter Gusenbauer richtig gesagt hat, zu den interessantesten Monaten. Es war dies eine Zeit, in der es zu gigantischen Veränderungen, zu gigantischen Weichenstellungen gekommen ist. Das sollten auch Sie mit Ihrer kleinkarierten, provinziellen Sicht zur Kenntnis nehmen, meine Herren Abgeordneten von der FPÖ, daß das eine solche Epoche war. (Abg. Dr. Graf: Epoche?!)

Es hat einen Paradigmenwechsel gegeben. Denken Sie an die Diskussion in Maastricht, denken Sie daran, daß damals die Stabilität die Priorität war, und denken Sie daran, daß mit dem Machtwechsel in verschiedenen Regierungen in Europa nicht mehr nur die Stabilität, sondern Stabilität und Beschäftigung entscheidende Elemente der Politik wurden! All das sollten Sie zur Kenntnis nehmen! (Beifall bei der SPÖ.)

Ihnen – und das ist das wirklich Verwerfliche – ist Beschäftigung Wurscht, für Sie ist Beschäftigung Gegenstand Ihrer oppositionspolitischen Strategien. (Abg. Jung: Wie ist das mit Ihnen? Schauen Sie sich die Arbeitslosenzahlen an!) Heute nützt es Ihnen, heute ist man für die Beschäftigung. Würde es Ihnen bei den Wahlen nützen, gegen die Beschäftigung zu sein, würden Sie gegen die Beschäftigung sein. (Abg. Haigermoser: Wie viele Beschäftigte hast du außer deinem parlamentarischen Mitarbeiter?) Würde es Ihnen nützen, auf allen Vieren hier im Parlament auf- und abzugehen, würden Sie auf allen Vieren hier im Parlament auf- und abgehen. Das ist Ihr Politikverständnis! Damit wollen wir aber nichts zu tun haben! (Beifall bei der SPÖ.)

Daher ist die Frage der Erweiterung der EU auch aus dieser Sicht zu beurteilen. Daher ist es auch positiv, daß die Gespräche darüber begonnen wurden. (Abg. Haigermoser: Wie viele Beschäftigte hat Cap außer dem parlamentarischen Mitarbeiter?) Das heißt noch lange nicht, daß man nicht darauf drängen wird, daß der Acquis Communautaire zu erfüllen ist, daß die sozialökonomischen Standards zu erreichen sind. Natürlich soll das so sein. Im Interesse der


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