Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 154. Sitzung / 172

ich bin nicht bereit, um vielleicht Sympathien zu gewinnen, einen Weg wie jenen zu gehen, den Sie vorschlagen haben, da ich genau weiß, daß dieser Weg ein falscher, weil ein rechtswidriger ist! (Beifall bei der SPÖ.)

20.33

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Jung. 5 Minuten freiwilligen Redezeitbeschränkung. – Bitte.

20.33

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Sudetendeutschen und die volksdeutschen Vertriebenen überhaupt haben natürlich keine mächtige Lobby hinter sich, auch nicht die Presse wie in den USA. Entsprechend gering ist das Interesse. Allerdings sollte man hier nach dem Rechtsstandpunkt vorgehen und nicht zwischen solchen und solchen Opfern unterscheiden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die vorliegende Thematik hat meiner Meinung nach zwei Aspekte: Den finanziellen Aspekt hat Kollege Graf angesprochen; Sie haben sich jedoch hartnäckig geweigert, auf diesen einzugehen, obwohl für andere Bereiche sehr wohl Geld aufgebracht werden kann und Fristen verlängert und verändert werden können, wenn man will. Das hat man in letzter Zeit deutlich gesehen!

Es gibt da aber auch noch einen moralischer Aspekt, und diesbezüglich bleibt noch viel zu tun. Es ist nämlich in diesem Zusammenhang, ebenso wie bei der Frage der geraubten Güter, hoch an der Zeit, auch gegenüber den vertriebenen Volksdeutschen finanzielle, aber vor allem auch moralische Gerechtigkeit zu üben und nicht weiter zwischen solchen und solchen, zwischen guten und schlechten Opfern zu unterscheiden.

Meine Damen und Herren! Ich habe Mauthausen gesehen, ich war in verschiedenen jüdischen Museen in den USA, ich war im Yad VashemXXXvgl.Häu in Jerusalem, und ich glaube, daß niemand diese Gedenkstätten emotional unberührt und ohne Erschütterung verlassen kann. Sie erinnern an eine Bürokratie des Grauens, an Orte, an denen Menschenleben nur Zahlen waren und wo man an einer Rampe zwischen lebenswertem und unwertem Leben unterschied. Wir alle kennen diese Schilderungen und haben sie bei vielen Anlässen des Gedenkens vor Augen gehabt. Gerade deswegen möchte ich Ihnen jetzt ganz kurz einen ganz anderen Augenzeugenbericht zu Gehör bringen, auch über Opfer:

"... der entsetzliche Anblick, der sich ihm bot, überstieg seine Kräfte. Rings um eine Anschlagsäule waren fünf junge Frauen mit einem Strick mehrfach umwickelt festgebunden. Ihnen zu Füßen hatte man in einen Kanal ihre sieben Kinder gepfercht, das Kanalgitter wieder eingesetzt, die Kinder mit Benzin übergossen und angezündet. In dem Augenblick, in dem Rainer hinzugekommen war, hatte man die gefesselten Mütter ebenfalls mit Benzin bespritzt und angezündet. Die Frauen gaben als brennende Fackeln keinen Laut von sich. Es war der johlenden Menge entgangen, daß eine der Deutschen den angesengten Strick entzweigerissen und sich in die Flammen geworfen hatte, die durch das Kanalgitter herausschlugen. Ihre vom Todesmut angefachten Kräfte hoben das Gitter weg. Auf dem Bauch liegend versuchte diese Mutter, in das Knäuel der lodernden Kinder hinunterzugreifen. Leblos lagen sie in den Flammen. Unterdessen waren, von den Füßen herauf bis zu den Haaren brennend, die anderen vier Frauen in sich zusammengesackt, da ihnen der gemeinsame Halt durch den Strick genommen worden war. Das war das Zeichen für die Mörder, die Säule im jubelnden Ringeltanz zu umtanzen."

Meine Damen und Herren! Das war nicht Auschwitz! Selbst von Auschwitz gibt es keine derartigen schrecklichen Schilderungen. Das war der Vertriebenenalltag in der Tschechoslowakei im Frühjahr 1945 – nach Kriegsende! Die Täter waren nicht Uniformierte, sondern es waren Zivilisten, Männer und Frauen.


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