Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 156. Sitzung / 60

Ich möchte zurück zur Sachebene und besonders herausarbeiten, daß es für mich ein sehr bezeichnender Vorgang ist, daß man einerseits bei Bahnprojekten alles auf die Goldwaage legt, daß man sich Schlampereien leistet, daß man unkorrekte Vorgangsweisen wählt, daß man gar keine ordentlichen Daten für die Planung hat, daß man die Planung und die Prognosen nicht ordentlich vorantreibt, daß man aber andererseits bei zig Straßenprojekten nicht einmal die Brückenwaage verwendet. Das ist eine Disparität in der Verkehrspolitik, die sich immer wieder zeigt, die auch immer wieder in diesem Hause deutlich wird. (Abg. Mag. Kukacka: Das stimmt doch nicht!)

Der Rechnungshof hat jetzt diesen Scherbenhaufen Semmering-Projekt sorgfältig sortiert und deutlich herausgestrichen, daß die ÖBB mit falschen Zugzahlen argumentiert hat, daß es gar keinen ordentlichen Variantenvergleich gab, daß zwölf Jahre lang geplant wurde, daß man eine Kostenexplosion von 4,2 auf 7,9 und schließlich – wenn man also die Zinseszinsen miteinrechnet – auf mindestens 10 Milliarden Schilling zu beobachten hatte, daß man also insgesamt nie eine vertiefte Variantenuntersuchung vorgenommen hat und daß die Entscheidungen praktisch auf einer Grundlage fielen, die Spott und Hohn ist.

Ganz konkret zeigt sich bei dieser Vorgangsweise, daß es in Österreich selbst keine Verkehrspolitik als solche gibt, sondern daß es nur eine reine Verkehrsbaupolitik gibt, die – je nachdem, wer die Hebel an der Macht hat – in Gang gesetzt wird.

Die Verkehrsbaupolitik mündet in Straßenbauten, mündet in Autobahnbauten, mündet in Großprojekten, die den Straßenverkehr fördern. Diese Baupolitik soll jetzt ein wenig umgemünzt, ein wenig gewendet werden – Stichwort "Masterplan", Vorstellungen des Verkehrsministeriums. Aber das Problem liegt darin, daß wir zwar einen Generalverkehrsplan haben, aber bis jetzt großkoalitionär keinen Bundeswegeverkehrsplan beschlossen haben, weil es nämlich keinen Konsens zwischen Ihnen gibt, die Sie schon Jahrzehnte an den Schalthebeln der Sozialpartnerschaft und damit auch an der verkehrspolitischen Schaltstelle sitzen, weil es keinen Konsens gibt, in welche Richtung Verkehrspolitik gemacht werden soll.

Daher gibt es keine Richtung, sondern nur punktuelle Bauprojekte, mit denen man sich ins-gesamt einen verkehrspolitischen Salat einhandelt, wobei die Leute im Stau stecken, die Güter auf der Straße sind und insgesamt die Umweltpolitik verkehrspolitisch "unter die Räder kommt".

Das ist nämlich der Effekt: kein Bundesverkehrswegeplan, ein "Masterplan", der bahnorientiert ist, der aber Dimensionen ansteuert, die sehr wohl dahin gehend zu untersuchen sind, ob die Kosten den Nutzen rechtfertigen; ein Masterplan, der nicht von beiden Koalitions- und Regierungspartnern getragen wird, sondern der als Entwurf, sozusagen als Vorstellung des Ministeriums in die Diskussion Eingang findet; ein Masterplan, der 40 Millionen Schilling gekostet hat und ursprünglich – von Experten vor allem von seiten des Ministeriums entwickelt – sehr wohl ein System Südbahn darstellte. Aber dann "werkten" die Politiker, dann gab es Interessen, und die Oktober-Version sah plötzlich den Semmering-Tunnel allein und eine Anbindung von Eisenstadt in Richtung Sopron vor. Da hat man den politischen Willen bereits in einer Fachplanung artikuliert. Das ist also das Schicksal des "Masterplans", der meiner Ansicht nach verkehrspolitisch ein Torso ist.

Zweites Element: Ich darf noch gewisse Kriterien anführen, wie das System Südbahn vorangetrieben werden sollte, wie man an verkehrspolitische Planungen herangehen sollte:

Erstens – das wurde heute schon genannt – die Erreichbarkeit, zweitens – das ist sehr wesentlich – die Standortvorteile, drittens – das ist sicher ein Argument – die Fahrzeitverkürzung. Man sollte sich auch über die Unweltverträglichkeit, über Kapazitäten, über die Bau-, Erhaltungs- und Betriebskosten Gedanken machen. Man sollte einen Realisierungshorizont abstecken, der realistisch ist. Man sollte auch verkehrswirtschaftlich denken beziehungsweise die Verkehrspolitik, vor allem die Bahnpolitik auch in Modulen vorantreiben. Man sollte vor allem immer wieder Varianten im europäischen Kontext gegeneinander abwägen. Denken Sie an den Korridor V.

Schauen Sie sich die Oktober-Variante – die endgültige oder vorläufige, wie immer – des Masterplans an. Da gibt es, was die Koralm anlangt – wieder ein Tunnelprojekt –, eine wunder


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