Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 156. Sitzung / 106

und des Währungsfonds gemeinsame politische Beschlüsse gefaßt werden, sodaß sich private Profiteure gleichfalls an einer Krisenlösung beteiligen werden.

Was das Verhandlungsgeschick unseres Finanzministers betrifft, so ist ihm zu gratulieren: Österreichs Anteil am Internationalen Währungsfonds beträgt 1,32 Prozent und unsere Beteiligung an dieser multilateralen Hilfsmaßnahme für Brasilien 0,34 Prozent. Alles in allem handelt es sich um eine sparsame Maßnahme für die österreichischen Steuerzahler. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.21

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.21

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es kommt ja nicht oft vor, daß man zwischen Ausschuß- und Plenarsitzung wesentlich klüger wird. In diesem Fall ist es aber so. Ich erinnere nämlich daran, daß Herr Abgeordneter Gusenbauer, der im Ausschuß ausgezeichnet gebrieft und vorbereitet war und uns über wesentliche Dinge richtig, wie ich meine, belehrt hat, im Ausschuß auf die Frage, wie sich das IMF-Paket, diese 41 Milliarden Dollar auswirken werden, sinngemäß gesagt hat: Who knows?!

Inzwischen wissen wir es: Das IMF-Paket hat nicht gewirkt. Das ist, glaube ich, klar. An dem Tag, an dem wir im Ausschuß über dieses 50-Millionen-Dollar-Paket beraten haben – zur selben Stunde wahrscheinlich –, hat Brasilien das enge Band des Wechselkurses aufgegeben und behauptet, es wolle zu einem breiteren Band des sogenannten Crawling-peg übergehen, was genau einen Tag lang gehalten hat. Seit Freitag befindet sich der Real im freien Fall beziehungsweise in einem Floating-Regime. Inzwischen ist der Real um 20 oder sogar 25 Prozent zum Dollar abgewertet worden.

Primäres Ziel der Vereinbarung vom November 1998 zwischen IMF und Brasilien war es, mit Hilfe dieses Paketes in Höhe von 41 Milliarden Dollar unter anderem die Abwertung des Real zu verhindern – mit all den möglichen Folgen, die das haben könnte.

Dieses Konzept ist gescheitert. Übriggeblieben als Beschädigte sind nicht nur Brasilien, sondern auch, wie ich meine, der Internationale Währungsfonds, der in relativ kurzer Zeit, und das hintereinander, mit seinen Konzepten – drücken wir es höflich aus – keinen unmittelbaren Erfolg hatte.

Im Falle Rußlands hat es fünf Wochen lang gedauert: fünf Wochen zwischen der Vereinbarung jenes 22-Milliarden-Dollar-Pakets und dem Schuldenmoratorium beziehungsweise dem freien Fall des Rubel. Im Fall Brasiliens hat es ungefähr acht Wochen lang gedauert: acht Wochen zwischen der Vereinbarung zwischen IMF und Brasilien und dem freien Fall des Real beziehungsweise einem möglichen Schuldenmoratorium Brasiliens.

Beide Beteiligten sind da nicht unbeschädigt ausgestiegen: Auch der IMF ist zumindest zu einem gewissen Grad diskreditiert worden.

Nach dem, was ich über diese konkrete Situation dort weiß, scheint es so zu sein, daß die Auslöser der Krise in Brasilien im wesentlichen hausgemacht sind – und auch nicht übereinstimmen mit den Auslösern für die Krise in Südostasien beispielsweise.

Während bisher in solchen Krisen regelmäßig auf die Leistungsbilanz, auf die Exportentwicklung und so weiter geschaut wurde, so ist es im Falle Brasiliens so – da bin ich ein bißchen unterschiedlicher Meinung zu dir, Kollege Gusenbauer –, daß nicht nachvollziehbar ist, daß diese Komponenten unmittelbare Auslöser für die jetzige Situation gewesen wären.

Der Grund für die jetzige Situation Brasiliens dürfte auch nicht in der Bankenaufsicht – wie das in Südostasien der Fall war beziehungsweise ist – oder in einer korrupten Bankenstruktur liegen,


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