Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 156. Sitzung / 107

sondern der Grund hiefür dürfte im wesentlichen in der Beharrlichkeit des fiskalischen Defizits zu suchen sein.

8 Prozent für 1998 sind ja nicht gerade wenig – im Moment habe ich aber die Zahlen über die Jahre vorher nicht im Kopf –, und die bedenkliche Fristenstruktur der öffentlichen Verschuldung darf auch nicht außer acht gelassen werden, und zwar jetzt weniger die ausländische Verschuldung als im Bereich der Binnenverschuldung. All das sind hausgemachte Probleme. Klar ist natürlich, daß solche Dinge Vertrauenskrisen auslösen, vor allem dann, wenn bekannt ist – beziehungsweise sich zumindest im nachhinein als bekannt herausstellt –, wie die dortigen politischen Verhältnisse sind und auch eingeschätzt werden.

Der "Economist" war – zumindest ex post – am Freitag der Meinung, die brasilianische Regierung sei politisch schwach, inkompetent und unfähig. – Das hat man aber, nehme ich an, im November auch schon gewußt, als Mitarbeiter vom IMF dort waren.

Also was bleibt jetzt an Erfahrung, und zwar an positiver und auch negativer, aus dieser ganzen Sache? – Die Grenzen der Intervention des IMF wurden deutlich aufgezeigt. Die Ziele des Paktes vom November 1998 zwischen dem IMF und Brasilien wurden klar verfehlt.

Es ist richtig – darauf hat Kollege Gusenbauer bereits hingewiesen –, daß zumindest Zeit "gekauft" wurde in der damaligen Situation, kurz nach dem Desaster in Südostasien und dem Rußlands sowie dem, was ja schon wieder vergessen wird, Beinahe-Desaster von LTCM, dem Hedge-Fund Long-Term Capital Management.

All das zusammengenommen – und dann noch die Brasilienkrise obendrauf – muß man sagen: Da macht es schon Sinn, acht Wochen lang Zeit zu "kaufen". Inzwischen haben wir ja das Jahr 1998 schon fast wieder verdrängt, sodaß also Brasilien fast als isoliertes "Phänomen" betrachtet wird. – Ex post gesehen können wir das so interpretieren, daß das zumindest als ein positiver Aspekt dieser Krise zu sehen ist.

Offen bleibt die Beteiligung privater Gläubiger; darauf haben beide meiner Vorredner hingewiesen. Immerhin haben in diesem Fall anscheinend 70 Prozent der privaten Gläubiger einem roll-over beziehungsweise einer neuen Kreditvergabe zugestimmt, aber für die restlichen 30 Prozent muß man schon wieder sagen, daß die öffentliche Hilfestellung für Brasilien de facto ein "bail-out" für private Gläubiger darstellt.

Viertens muß man daraus lernen – diesen Eindruck habe ich zumindest –, daß man sich in einem Wechselkursregime entscheiden muß: entweder floatierende oder fix gebundene Wechselkurse – wie seinerzeit bei Schilling und D-Mark oder jetzt bei der Währungsunion in der EU.

Aber das dazwischen, diese "Crawling pegs", wo sozusagen schleichend ein Anpassungsprozeß in den Wechselkursen vollzogen wird, das ist des Teufels! Denn im Grunde müßten wirtschaftspolitische Maßnahmen getroffen werden, die genauso hart sind wie bei einer Währungsunion, die aber von Haus aus geringere Glaubwürdigkeit haben – zumindest immer ein Glaubwürdigkeitsproblem mit sich herumschleppen.

Ich habe den Eindruck, daß alle Versuche von Krisenlösungen der letzten Zeit, so lange eben versucht wurde, diese Crawling-peg-Mechanismen zu unterstützen, gescheitert sind. Und das, denke ich, ist wohl kein Zufall.

Zum fünften Punkt, den Kollege Gusenbauer genannt hat, zu den Kapitalverkehrskontrollen. Ich muß sagen, daß ich – trotz allem – nicht davon überzeugt bin, weil ja gerade Entwicklungsländer, die "emerging markets" und so weiter, auf Kapitalimporte angewiesen sind; das ist doch geradezu das Kennzeichen eines noch nicht so hoch industrialisierten Landes. Und Kapitalimporte werden nicht gerade erleichtert, wenn derjenige, der dort investiert, der sein Kapital dorthin transferieren will, von Haus aus weiß, daß er es nicht wieder herausbekommt. – Ob das also im Sinne einer richtig verstandenen Entwicklungspolitik ist, daran habe ich noch großen Zweifel.


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