Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 156. Sitzung / 238

In diesem Aktenvermerk steht folgendes zu lesen – der Informant ist ein Staatsanwalt, der sagt –: Grundlage für die ganze Debatte war unter anderem auch, daß wer vom Außenministerium angerufen und interveniert hat. Mir ist noch dunkel in Erinnerung – den Zusammenhang kann ich aber nicht mehr herstellen – im Zusammenhang mit dem Haftbefehl, daß auch irgendwer Vorhaltungen gemacht hat, daß es ja nicht sehr angebracht sei, Haftanträge rauszulassen, weil man da alles zerstören kann an Beziehungen mit dem Iran und so weiter. Das Außenamt war also sehr nervös, daß alles Mögliche gestört wird. – Eine Aussage unter Wahrheitspflicht.

Der damalige Leiter der EBT sagt: Ich bin heute der Meinung, daß ein Informationsdefizit der Justiz bestanden hat, für das ich beziehungsweise die EBT aber nicht verantwortlich ist. Bei mir persönlich hat es keine Interventionen gegeben. Es war aber für mich aus den Ereignissen sämtlicher Besprechungen, an denen ich teilgenommen habe, ganz offensichtlich, daß massivst interveniert wurde. – Das sind Aussagen unter Wahrheitspflicht.

Das ist nicht Amtsmißbrauch. Aber wenn Sie sagen, daß diese Dinge nicht aufklärungsbedürftig sind und daß politischer Verantwortung dafür im vorhinein die Absolution erteilt werden kann, dann halte ich Ihre Latte, die Sie an die politische Kultur und an die politische Verantwortung anlegen, einfach für zu niedrig und für verantwortungslos. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Deswegen ersuche ich Sie im Lichte der jetzigen Ereignisse und der vorliegenden Aussagen, diesem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zuzustimmen. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

23.53

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Frau Abgeordnete, Sie haben eine Redezeit von 5 Minuten. – Bitte.

23.54

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich habe mir frühere Anfragen und Anträge herausgesucht, die auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses in der Causa Kurden-Morde gerichtet sind. Ich rufe noch einmal in Erinnerung: Das Verbrechen von 1989, das bekannteste und spektakulärste derartige Verbrechen, ist kein Einzelfall. Bereits im Mai 1987 wurde ein zu Verhandlungen nach Wien gelockter Kurde, Hamid Reza Chitkar – er kam aus Straßburg –, durch Genickschuß getötet und die Leiche erst viel später gefunden. Der besorgten Ehegattin wurde allerdings vom Generalkonsulat in Straßburg das Einreisevisum nach Österreich verwehrt.

Immer wieder entsteht der Eindruck, daß die Behörden Tätern, von denen offenkundig ist, daß sie in einem Zusammenhang mit der iranischen Staatsorganisation standen, ihr blutiges Geschäft sehr, sehr leicht gemacht haben. Frau Dr. Schmidt hat es schon angesprochen, es kann verschiedene Motive geben, die hinter so einer Verhaltensweise stehen: die Angst vor einer Ausweitung des Terrors, die Sorge um die Sicherheit von Österreicherinnen und Österreichern im Iran, aber auch weit banalere und weniger legitime Motive wie die Angst vor einer Verschlechterung der Geschäftsbeziehungen mit dem Iran.

Genau das wäre die Frage der politischen Verantwortung. In welchen Situationen ist es legitim, einem Druck – vielleicht sogar einem verbrecherischen Druck – teilweise nachzugeben, nämlich dann, wenn dieses Verhalten gesetzt wird, um ein größeres Unrecht, eine noch schlimmere Untat zu vermeiden? Ich kann mich im Prinzip mit einer derartigen nachweislichen Rechtfertigung durchaus abfinden, aber dann muß es offenkundig gemacht werden. Im konkreten Fall bezweifle ich, daß es um so hehre Motive ging.

Mittlerweile liefert uns das Justizministerium Belege dafür, wenn jetzt eine in ihrer Glaubwürdigkeit absolut unbestreitbare Staatsanwältin sagt, sie habe den Eindruck, man wollte damals die österreichische Staatsanwältin und die Staatsanwaltschaft dumm sterben lassen, und man habe ihr keinen Zutritt zu einem verletzten Attentäter gegeben; wenn es dann aus den deutschen Vernehmungen Protokolle darüber gibt, daß ein ehemaliger iranischer Geheimdienstmitarbeiter gesagt hat, man habe absichtlich einen Mittäter verletzt, um so am Anfang etwas Verwirrung zu


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