Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 158. Sitzung / Seite 116

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ierungen dessen geht, was die Türkei sozusagen an Staatsgebilde hat und wie sie dort gegen ihre eigenen Staatsbürger und Staatsbürgerinnen vorgeht.

Es ist mir völlig unverständlich gewesen und bis heute unverständlich – damit komme ich auch zu den Ereignissen der letzten Wochen –, wie gelähmt eine ganze Staatengemeinschaft, auch jene der Europäischen Union, schon seit längerem auf das schaut oder nicht hinschaut, was in der Türkei passiert beziehungsweise was in den letzten Wochen geschehen ist, in denen der Anführer dieser terroristischen Organisation, der PKK, in verschiedenen europäischen Ländern versucht hat, Asyl zu erlangen, in verschiedenen Städten versucht hat, landen zu können. Die Europäische Union meint, durch Wegschauen, durch Nichthinschauen und durch Exportieren dieses Problems das Problem als solches lösen zu können. Aber das ist ein völlig inadäquates Mittel, wie wir jetzt wissen, wie wir heute wissen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

Ich denke mir: Hätte ein sozialdemokratischer Bundeskanzler vor mehr als 30 Jahren so agiert wie heute eine ganze Staatengemeinschaft, dann hätten wir heute kein Friedensabkommen zwischen Israel und Palästina. Hätte eine britische Regierung so reagiert, wie die Staatengemeinschaft der Europäischen Union heute und in den vergangenen Wochen reagiert hat, dann gäbe es heute keine Friedensgespräche, kein Friedensabkommen in Nordirland. Und diese Liste ließe sich fortsetzen.

Ich bin – bei aller Ablehnung von Gewalt auf beiden Seiten – zutiefst davon überzeugt, daß sich nur in Gesprächen, in diplomatischen Bemühungen, in diplomatischen Schritten eine Lösung anbahnen läßt. "Anbahnen läßt", damit ist ausgedrückt, daß solche Lösungen nicht von heute auf morgen entstehen, sondern daß sie Jahre, wenn nicht Jahrzehnte brauchen, wie wir an dem Fallbeispiel Palästina sehen. Sie brauchen Jahrzehnte, bis sie in etwa und einigermaßen – so fragil auch manches sein mag – halten können. Aber mit der Haltung der Europäischen Union in den vergangenen Wochen – das bedauere ich sehr – haben wir uns und hat sich die EU nach dem Balkan ein zweites "Waterloo" geschaffen.

Es ist für mich beeindruckend – und damit komme ich auf unseren Antrag zurück –, daß Außenpolitik zutiefst auch ein Faktor von Innenpolitik, vom inneren Zustand eines Staates, von dessen innerer Verfaßtheit ist, auch unseres Staates, auch unseres Landes, und sei es nur darin, welche Aufmerksamkeit wir Vorgängen widmen, die in anderen Ländern stattfinden, welchen Platz wir Informationen über Vorgänge einräumen, die in anderen Ländern stattfinden, und wie wenig wir eigentlich davon Kenntnis nehmen, was dort geschieht. Die Türkei, Anatolien und das kurdische Gebiet in der Türkei sind nicht so weit weg, daß wir es nicht beachten könnten, nicht auch mit größerer Sensibilität beachten könnten, als wir das tun.

Das eigentlich Betrübliche daran ist, daß Außenpolitik, daß außenpolitische Vorgänge, internationale Vorgänge – vor allem wenn sie andere Länder betreffen – kaum wahrgenommen werden und dann in der Berichterstattung so wie auch heute ihren Niederschlag finden, weil Gewalt ausgeübt wird, weil Besetzungen stattfinden, sodaß dann selbstverständlich auch die Zeitungskommentatoren darin ein Problem der inneren Sicherheit auch des Landes Österreich sehen.

Aber was ist denn dieser Fragestellung und Infragestellung der inneren Sicherheit vorangegangen? Haben Sie das alles vergessen: all diese Chancen, die wir ausgelassen haben, damit auch die innere Sicherheit Österreichs gewahrt bleiben kann? – Offensichtlich hat das niemand vorher bedacht oder bedenken wollen und hat nicht entsprechend abwägen können, ob der inneren Sicherheit Österreichs und der anderen europäischen Länder nicht besser gedient wäre, wenn es dafür eine politische Lösung gegeben hätte, als der PKK-Führer Öcalan versucht hat, irgendwo Asyl zu bekommen.

Kommen Sie mir nicht damit, daß er einer ist, der Blut an den Händen hat! Das gilt für all jene Beispiele, die ich vorhin aufgezählt habe; auch diese Männer hatten Blut an den Händen. Auch Arafat hatte Blut an den Händen. Ich verteidige das nicht, ich bin nur zutiefst davon überzeugt, daß in solchen Situationen, in denen es zu soviel Gewalt in einem Land gekommen ist, nur durch Gespräche Annäherungen gefunden werden können.


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