Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 161. Sitzung / 22

Hohes Haus! In den Morgenstunden des 16. Februar besetzten kurdische Aktivisten die griechische und etwas später die kenianische Botschaft in Wien. Diese Besetzungsaktionen waren Teil einer europaweit abgestimmten Proteststrategie der in den jeweiligen Staaten lebenden Angehörigen der kurdischen Volksgruppe. Zu diesem Zeitpunkt bestand keine ständige Überwachung der beiden Missionen, sondern nur eine regelmäßige Kontrolle der Objekte im Zuge von Streifendiensten. Nach dem damaligen Informationsstand der Sicherheitsbehörden war eine konkrete Gefährdung nicht zu erwarten, und auch die beiden Botschaften selbst verfügten über keinen eigenen permanenten Objekt- und Personenschutz.

Die Staaten der Europäischen Union wurden so wie Österreich von den Vorgängen rund um den PKK-Führer unvorbereitet getroffen, da den Sicherheitsbehörden weder dessen Aufenthaltsort noch die Lageentwicklung in Kenia bekannt war. Österreich und alle anderen europäischen Staaten erhielten im Vorfeld nicht die notwendigen Informationen, um geeignete Sicherheitsvorkehrungen treffen zu können. Der PKK allerdings gelang es aufgrund ihrer straffen Organisationsstruktur und ihrer guten Kommunikationswege, ihre Aktivisten über die Verbringung des PKK-Führers in die Türkei in relativ kurzer Zeit zu informieren und europaweit akkordierte Protestaktionen einzuleiten.

Nachdem 41 kurdische Aktivisten die griechische Botschaft, in der sich zu diesem Zeitpunkt fünf Personen aufhielten, unter anderem auch der Botschafter, besetzt hatten und 24 Personen gewaltsam in die kenianische Botschaft eingedrungen waren, habe ich umgehend eine erste Analyse der Gefährdungssituation durchführen lassen. Nach Befassung des Bundeskanzlers und des Außenministers wurde im Innenministerium zusätzlich ein Einsatzstab gebildet. Gleichzeitig stand ich in ständigem Kontakt mit dem Bundesminister für Justiz sowie mit dem deutschen Innenminister, der zurzeit den Vorsitz des Europäischen Rates für Justiz und Inneres innehat. Es war notwendig, rasche Informationen über die Besetzungen und Kundgebungen in anderen europäischen Ländern zu erhalten, um eine politische Einschätzung der Ereignisse treffen zu können. Die Justizbehörden wurden gleichzeitig von allen Schritten der Sicherheitsbehörden in Kenntnis gesetzt und in die Entscheidungen des Einsatzstabes eingebunden.

Aufgrund des Ergebnisses der Gefährdungsanalyse und des Ersuchens der griechischen Behörden, ein Betreten der Botschaftsräumlichkeiten zu vermeiden, hat der Einsatzstab eine Strategie zur gewaltfreien und friedlichen Beendigung der Botschaftsbesetzungen gewählt. Durch telefonische Verhandlungen und Verhandlungen vor Ort, geführt vom Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit Michael Sika, gelang es schließlich, die Besetzer zur Aufgabe zu bewegen.

Mein Dank gilt dabei auch der Unterstützung durch den Mandatar der Grünen, Peter Pilz.

In jedem Stadium der Verhandlungen wurde den Aktivisten klargemacht, daß die eskalationsfreie Beendigung ihrer Aktionen nur mit einer Feststellung und Überprüfung ihrer Identität, ihres fremdenpolizeilichen Status und einer Befassung der Justiz einhergehen kann. Die Sicherheitsbehörden haben unverzüglich der Staatsanwaltschaft eine Sachverhaltsdarstellung übermittelt und nach Beendigung der Botschaftsbesetzung Anzeige wegen Verdachtes des Hausfriedensbruchs, der Sachbeschädigung und der Nötigung erstattet.

Nach Beginn der kurdischen Aktivitäten wurden umfangreiche Schutz- und Sicherheitsmaßnahmen für zahlreiche Objekte und mögliche Aktionsziele für Protestaktionen und Anschläge aufgenommen beziehungsweise erweitert. Diese Schutzmaßnahmen werden ständig der aktuellen Bedrohungslage angepaßt, denn uns Behörden und allen Sicherheitsorganen in Österreich ist bewußt, daß eine Änderung der Lage aufgrund bestimmter Ereignisse im Ausland, aber auch aufgrund von Einzelaktionen nicht auszuschließen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Vergleich zur Situation in Deutschland, in den Niederlanden, in Großbritannien, in Griechenland und in anderen Staaten war Österreich in schwächerer Form von den kurdischen Protestmaßnahmen betroffen. Nach Beendigung der Botschaftsbesetzungen kam es jedoch zu weiteren unangemeldeten Protestaktionen, beispielsweise in Klagenfurt, in den Räumlichkeiten der Landesparteizentralen von ÖVP und SPÖ in Linz,


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