Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 161. Sitzung / 80

nisationsstruktur, der Effizienz, aber auch der politischen Abhängigkeit des AMS und rät zu einer grundlegenden Reorganisation der Arbeitsmarktverwaltung. Damit legt die unabhängige Schweizer Consultinggruppe erstmals detailliert jene Schwächen bloß, die in den vergangenen Monaten zu heftigen, öffentlich geführten Auseinandersetzungen geführt hatten. Während die Schweizer Studie jedoch vor allem strukturelle Mängel offenlegt, haben die Regierungsparteien, allen voran Bundeskanzler, Sozialministerin, aber auch der Wiener Landeshauptmann, sich in erster Linie darauf beschränkt, eine Personaldebatte rund um den Landesgeschäftsführer des Wiener AMS, Klaus Werner, zu führen.

Die Tatsache, daß die Bundesregierung seit Monaten versucht, mittels beinahe allwöchentlicher Ankündigungen diverser Aktionsprogramme, der Glättung von Arbeitslosenstatistiken sowie einer von den Sachfragen ablenkenden Personaldiskussion ihre langjährigen Reformversäumnisse zu verschleiern, verdient eine eingehendere Betrachtung. Besonders signifikant schlägt sich dieses Versagen der Regierungspolitik in der mangelnden Aussagekraft der veröffentlichten statistischen Daten zur Arbeitslosigkeit nieder.

Versteckte Arbeitslosigkeit: Ziemlich unbemerkt ist der Bericht der EU-Kommission über ‚Unterbeschäftigung in der Europäischen Union 1997‘ geblieben. Dort kommt die Kommission zu dem Schluß, daß die Arbeitslosenrate in Österreich statt 7,1 Prozent mindestens 10,3 Prozent, wenn nicht gar 10,8 Prozent beträgt. Hierin sind jedoch nicht einfach die (1997) 206 000 Frühpensionisten enthalten, sondern (alle Zahlen aus 1997):

Lehrstellensuchende: 5 855, SchulungsteilnehmerInnen 22 211, Karenzgeldbezieherinnen ohne bestehendes Arbeitsverhältnis 36 236, Sondernotstandshilfe 9 292, Pensionsvorschuß 13 538, Sonderunterstützung 9 057, Vorzeitiger Ruhestand wegen Arbeitslosigkeit 21 014, Gesamt 117 248 = 10,3 Prozent

Rechnete man die sogenannten Entmutigten (19 533) hinzu, käme man auf eine Quote von 10,8 Prozent Wie gesagt, sind die Frühpensionisten aufgrund ausreichender Versicherungszeiten hier nicht zugezählt.

Ein weiterer Beleg ist darin zu erblicken, daß bisher die Fähigkeit zur Erreichung des Zieles ‚Arbeitslose in Arbeit zu bringen‘, ohne Differenzierung nach dem Kriterium einer Wiedereinstellungszusage anläßlich der Beendigung eines zuletzt innegehabten Arbeitsverhältnisses (Saisonbeschäftigte) oder einer fehlenden derartigen Zusage vorgenommen wurde. Dies hat zu nicht unwesentlichen Verzerrungen bei der Erfolgskontrolle sowie zu Fehlinterpretationen bei der strukturellen Qualitätsanalyse geführt, ein Faktum, das nicht zuletzt durch die ‚Focus‘-Studie aufgezeigt wurde. Verzichtet man bei der Messung der genannten Zielerreichung darauf, auch Saisonniers (mit Wiedereinstellungszusage) als durch AMS-Vermittlungstätigkeit Wiederbeschäftigte mitzurechnen, wird das Ranking der einzelnen Bundesländer und damit auch der Landesgeschäftstellen des AMS geradezu auf den Kopf gestellt. Es darf zweifelsfrei angenommen werden, daß dieses Faktum den BeamtInnen des BMAGS kraft eigener Expertise bekannt war und ist, daß

Schlußlichter die Bundesländer Tirol und Burgenland sind und

nur Vorarlberg und Wien über dem Bundesschnitt liegen.

Im Sommer 1998 wurden dem Liberalen Forum erstmals Pläne des AMS Wien bekannt, angeblich zur besseren Vermittlungstätigkeit Langzeitarbeitsloser Psychoscreenings an einem privaten Testinstitut durchführen zu lassen. Die daraufhin ausgelöste Protestwelle führte einerseits zur vorübergehenden Einstellung bereits laufender Psychotests durch das Rote Kreuz, andererseits zur ersten Ankündigung von Sozialministerin Lore Hostasch, angesichts der katastrophalen Entwicklung auf dem Wiener Arbeitsmarkt den Leiter des AMS Wien durch AMS-Bundesgeschäftsführer Herbert Buchinger zu ersetzen.

Die allseits geäußerte Kritik an der Wiener Arbeitsmarktsituation betraf in erster Linie die hohe Zahl an Langzeitarbeitslosen, die weit über dem Bundesdurchschnitt liegt. So haben in Wien die Aufwendungen für Notstandshilfe-BezieherInnen (= überwiegend Langzeitarbeitslose) bereits


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