Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 162. Sitzung / 75

behinderten Menschen, die jetzt bei ihm angestellt sind, trennen. Er sehe nämlich nicht ein, nur weil er bereit sei, behinderte Menschen über die Quote hinaus zu beschäftigen, daß er dadurch pro Jahr praktisch über Nacht 60 000 S verliert.

Ich "gratuliere" Ihnen, Frau Ministerin, zu dem "Erfolg", daß Sie es geschafft haben, wieder einige Menschen aus dem Arbeitsprozeß quasi hinauszuschleudern.

Frau Ministerin! Es wird seit Jahren über die Freikaufsmöglichkeiten von Bund, Ländern und Gemeinden diskutiert. Es bringt nichts, wenn diese eine Ausgleichstaxe zahlen müssen. Sie zahlen sie nämlich gar nicht, denn Bund, Länder und Gemeinden haben Etats. Diese werden praktisch aufgrund von Finanzmitteln, die ausgeschüttet werden, nur umverteilt. Sie müssen bereit dazu sein, Frau Ministerin, daß die Freikaufsmöglichkeit für Bund, Länder und Gemeinden zur Gänze abgeschafft wird und daß Bund, Länder und Gemeinden verpflichtend behinderte Menschen einstellen müssen.

Ich werde dazu einen Entschließungsantrag einbringen, in dem Sie aufgefordert werden, entsprechende Vorbereitungen im Bundesbehindertengesetz zu treffen, damit es nicht mehr möglich ist, daß sich Bund, Länder und Gemeinden von der Behinderteneinstellungspflicht freikaufen. Es reicht anscheinend nicht, daß weit über 40 000 behinderte Menschen arbeitslos sind. Noch einmal so viele, wenn nicht mehr, sind gar nicht als begünstigte Behinderte eingestuft. 68 Prozent beträgt die tatsächliche Arbeitslosenrate von behinderten Menschen. Über diesen Prozentsatz sprechen Sie schon lange nicht mehr!

Frau Ministerin! Sie haben versucht, die Arbeitslosigkeit behinderter Menschen dahin gehend zu kaschieren, daß Sie "geschützte Werkstätten" in "integrative Betriebe" umbenannt haben. Das ist eine Lächerlichkeit! Sie wissen ganz genau, daß es dabei niemals um integrative Betriebe geht. Sie wissen, daß 80 Prozent all jener, die in diesen geschützten Werkstätten arbeiten, behinderte Menschen sind. Wenn Ihr Integrationsgedanke so ist, daß es 80 Prozent Behinderte und 20 Prozent Nichtbehinderte gibt, dann liegen Sie falsch. Sie wissen, daß diese 20 Prozent Nichtbehinderten diejenigen sind, die in den obersten Chefetagen sitzen. Die behinderten Menschen aber arbeiten unten am Fließband um 150, 200 oder 380 S pro Monat. (Bundesministerin Hostasch: Das stimmt ja nicht!) Das ist meiner Meinung nach nicht jene Form von Arbeitsaufteilung, die sich behinderte Menschen wünschen.

Wenn Sie Ihre Form der geschützten Werkstätten noch immer dadurch aufrechterhalten wollen, indem Sie sagen, es soll die Möglichkeit geschaffen werden, daß jene Menschen, die dort arbeiten, auf einen Beruf draußen in der Arbeitswelt vorbereitet werden, dann sage ich Ihnen, daß die Durchlässigkeit jener Menschen, die aus diesen Institutionen wieder herauskommen, nur bei 3 Prozent liegt. Und diese Durchlässigkeit ist in den letzten beiden Jahren um 2 Prozent gesunken.

Frau Ministerin! In Ihrem Sozialbericht ist auch wieder der Bereich "Information und Beratung" enthalten. Ich habe heute wieder die Probe aufs Exempel gemacht – wie ich sie jedes Jahr mache – und wollte vom Bundessozialamt beziehungsweise vom Sozialministerium wissen, wieviel denn ein Rollstuhl einer gewissen Type kostet. Vom Bundessozialamt habe ich die Auskunft bekommen, daß mir das niemand sagen dürfe. Das ist also der "offene" Kundenempfang, den Sie angesprochen haben. Wenn ich nur über technische Details Auskunft erhalte, also daß ein Rollstuhl vier Räder hat, dann wäre das damit zu vergleichen, daß jemand, der sich ein Auto kaufen will, vom Händler die Auskunft bekäme, das Lenkrad sei serienmäßig dabei.

Frau Ministerin! Unter "Kundeninformation" und "offenem Kundenempfang" stellen sich behinderte Menschen etwas ganz anderes vor. Überdenken Sie einmal den Bereich der Hilfsmittelberatung, der sehr viel Geld kostet und im Endeffekt überhaupt keine Auskunft bringt!

In Ihrem Bericht sind weiters die Leitlinien des Nationalen Aktionsplanes für die Beschäftigung von behinderten Menschen enthalten. Alle Punkte, die in diesem Nationalen Aktionsplan aufscheinen, betreffen Dinge, die Sie in den letzten Jahren auf Kosten von behinderten Menschen gestrichen haben. Ich frage Sie daher: Woher nehmen Sie plötzlich das Geld, mit dem Sie diese Streichungen nun wieder zurücknehmen? – Soviel zum Sozialbericht.


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