Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 162. Sitzung / 170

überwiegend dem heimischen Klienten durch den Rechtsrat, die Rechtsvertretung quasi "ums Eck", "in der Nebengasse", gelten wird.

Damit die freien Rechtsberufe jetzt und in Zukunft ihre wichtigen Aufgaben erfüllen können, bedarf es bestimmter Rahmenbedingungen, die in den gesetzlichen Berufsordnungen niedergelegt sind und kontinuierlich an die sich ändernden Erfordernisse anzupassen sind.

Wenn den freien Rechtsberufen der Vorwurf zu weitreichender berufsrechtlicher Regulierungen gemacht wird, darf nicht übersehen werden, daß in den letzten Jahren vieles zur Modernisierung dieser Berufe geschehen ist und sie sich keineswegs sinnvoller Liberalisierung und Deregulierung verschließen.

Liberalisierung und Deregulierung dürfen aber nicht zu einem Identitätswandel im Kernbereich des Selbstverständnisses der freien Rechtsberufe, zu einer Aushöhlung der für die Tätigkeit der freien Rechtsberufe geltenden Grundprinzipien oder zu einem Qualitätsverlust ihrer Leistungen zu Lasten ihrer Klienten führen. Das Vertrauen der Bürger in die seinen fundamentalen Interessen dienenden Leistungen der freien Rechtsberufe, deren Unabhängigkeit, Vertrauenswürdigkeit, Verschwiegenheit sowie ein hoher Qualitätsstandard ihrer beruflichen Leistungen müssen ungeschmälert gewährleistet bleiben.

Dabei ist auch zu beachten, daß sich die Dienstleistungen der freien Rechtsberufe von denen anderer Dienstleistungsberufe wesentlich unterscheiden und nicht an den Maßstäben des gewerblichen Marktes allein gemessen und sie auch nicht auf bloße Serviceeinrichtungen für Wirtschaft und Industrie reduziert werden können.

Vor allem im Interesse der Klienten, die in der Regel Qualität und Preisangemessenheit der freiberuflichen Leistung nicht beurteilen können, sind der Liberalisierung und Deregulierung Grenzen gesetzt, und es bedarf – sozusagen als Konsumentenschutzmaßnahme – der erforderlichen Berufsausübungsvorschriften und der Kontrolle ihrer Einhaltung.

Eines der Grundprinzipien der freiberuflichen Dienstleistung ist die unabhängige und persönliche Berufsausübung. Zu deren Stärkung trägt auch eine Reihe von Regelungen in den beiden Gesetzentwürfen bei.

So wurde auch bei Schaffung der neuen Form der Rechtsanwalts-GmbH, die die internationale Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Rechtsanwaltschaft zweifellos stärkt, das Prinzip der persönlichen Berufsausübung berücksichtigt. Die sonst bei der GmbH zulässige Möglichkeit der Bestellung von Fremdgeschäftsführern und Prokuraerteilung soll daher ebenso ausgeschlossen sein wie – zumindest vorerst – eine bloße Sachfirma und jedenfalls die Beteiligung von Fremdkapitalgesellschaftern.

Daß durch diese Einschränkung die Wettbewerbsfähigkeit der Rechtsanwaltsgesellschaften vermindert wird, glaube ich nicht. Viel eher meine ich, daß dadurch das notwendige enge Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Klient gestärkt wird.

Ein Aspekt der Unabhängigkeit der freien Rechtsberufe ist auch die Sicherstellung der erforderlichen ökonomischen Basis für die Berufsausübung. Um diese aufrechtzuerhalten, bedarf es auch weiterhin der Sicherstellung einer angemessenen Honorierung rechtsanwältlicher und notarieller Leistungen, die freilich auch auf soziale Gesichtspunkte Bedacht zu nehmen hat. Diesem Grundgedanken wurde auch bei den im Gesetzentwurf vorgenommenen Änderungen des Rechtsanwaltstarifgesetzes Rechnung getragen.

Eine weitere unverzichtbare Grundlage der Tätigkeit der freien Rechtsberufe ist die absolute Seriosität und das Vertrauen der Bürger in die Integrität der rechtsanwaltlichen und notariellen Berufstätigkeit. Unter diesem Aspekt sind die in der Rechtsanwaltsordnung vorgesehene gesetzliche Grundlage für Richtlinien des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages über die Ausübung von Treuhandschaften und die in der Notariatsordnung vorgesehenen gesetzlichen Regelungen der bisher durch Richtlinien festgelegten Pflichten des Notars im Zusammenhang mit Treuhandschaften und dem elektronischen Treuhandregister zu sehen.


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