Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 162. Sitzung / 171

Die deutliche Anhebung der Mindestversicherungssumme für die Berufshaftpflichtversicherung in der Rechtsanwalts- und Notariatsordnung dient primär den berechtigten Rechtsschutzinteressen der Mandanten, sie bietet aber auch einen gewissen Schutz des Rechtsanwalts und Notars für wirtschaftliche Katastrophenfälle.

Ein weiteres wesentliches Merkmal für die freien Rechtsberufe und ihre berufliche Unabhängigkeit ist die schon von Herrn Abgeordneten Krüger angesprochene demokratisch legitimierte berufliche Selbstverwaltung mit Regulierungs-, Kontroll- und Disziplinierungsbefugnis.

Gerade eine effiziente Disziplinargerichtsbarkeit, die dafür sorgt, daß nicht einige wenige schwarze Schafe den Ruf eines gesamten Berufstandes in Frage stellen können, ist nicht nur im Interesse des Berufsstandes, sondern auch im Interesse der Klienten und damit unabdingbare Voraussetzung für eine allgemeine Akzeptanz dieser beruflichen Selbstverwaltung. In diesem Sinne sind die im Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter vorgesehenen zusätzlichen Möglichkeiten, insbesondere die neue Maßnahme zum Schutz anvertrauten fremden Vermögens, zu sehen.

Um die freien Rechtsberufe in die Lage zu versetzen, ihrer verantwortungsvollen Tätigkeit gerecht zu werden, bedarf es mehr denn je auch eines hohen beruflichen Qualitätsstandards, der nur durch eine umfassende berufliche Ausbildung erreicht werden kann. Gerade weil mir bewußt ist, daß es europaweit große Unterschiede in der Berufsausbildung gibt, es aber, wie ich glaube, im Hinblick auf die weitgehende Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit in der Europäischen Union doch auch einer gewissen Harmonisierung der Ausbildungsstandards der freien Rechtsberufe bedarf, habe ich diese Problematik auch zum Gegenstand einer während der österreichischen EU-Präsidentschaft in Wien veranstalteten Konferenz zum Thema "Die Bedeutung der freien Rechtsberufe im integrierten Europa" gemacht, und ich hoffe, daß diese Veranstaltung entsprechende Früchte tragen wird.

Jedenfalls halte ich es mit dem Erfordernis des hohen Qualitätsstandards der freien Rechtsberufe unvereinbar, überhastet und unreflektiert Nivellierungen nach unten und – wie oft gefordert wird – möglichst auf den niedrigsten Level das Wort zu reden, etwa die jeweiligen Ausbildungszeiten unangemessen zu verkürzen oder gar die Berufsprüfungen zu beseitigen. Optimale Aus- und Fortbildung der Berufsanwärter sind die besten Garanten für das im Interesse der Klienten und im Interesse der eigenen Karriere und Wettbewerbsfähigkeit erforderliche Fachwissen.

Was die von Herrn Abgeordneten Graf angesprochene Stellung der Rechtsanwaltsanwärter, insbesondere deren soziale Absicherung anlangt, habe ich für dieses Anliegen grundsätzlich Verständnis und meine, daß man sich damit näher wird auseinandersetzen müssen, wobei die mit der Novelle vorgesehenen Verbesserungen bei den Versorgungsleistungen dieses Anliegen begünstigen werden.

Was die von Ihnen, Herr Abgeordneter Krüger, angesprochene anwaltliche Werbung anlangt, so vertraue ich auf die Zusage des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages, daß die diesbezüglichen Richtlinienbestimmungen in Anlehnung an die Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb weiter liberalisiert werden.

Hohes Haus! Ich bin mir dessen sicher, daß wir mit den beiden heute zur Beschlußfassung vorliegenden Gesetzentwürfen einen wesentlichen Schritt in Richtung sinnvoller Modernisierung der Berufsrechte der Rechtsanwälte und Notare tun, durch den diese beiden Berufe in die Lage versetzt werden, ihre verantwortungsvolle Tätigkeit für den demokratischen Rechtsstaat und für den einzelnen Bürger voll und ganz auch in Zukunft erfüllen zu können. Ich bitte Sie daher, diesen beiden Vorlagen die Zustimmung zu erteilen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.37

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte.


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