Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 166. Sitzung / 179

Aber es ist trotzdem wichtig und wertvoll, immer wieder darauf aufmerksam zu machen – und ich erinnere mich an die letzte Debatte betreffend einen Antrag der liberalen Fraktion ähnlicher Art, und wir werden auch noch weitere erleben –, bis sich diese völlig verhärteten Standpunkte endlich einmal auflösen. Denn es ist nicht einzusehen, was schlecht daran sein soll, wenn man den Menschen eine Stimme gibt. (Abg. Dr. Feurstein: Stimme darf er geben!) Kollege Feurstein hat das schon ausgeführt, und ich werde zeitökonomisch versuchen, darauf einzugehen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Feurstein.) Mitglied sind sie. Stimmen dürfen sie ein bißchen. Aber wählen dürfen sie sich nicht lassen, und das, obwohl man weiß, daß die Durchflutung mit Demokratie ein Mittel ist, Konflikte vorbeugend zu lösen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Gerade wenn Sie Angst haben, daß Konflikte entstehen können, sage ich Ihnen: Geben Sie ihnen das volle Wahlrecht, das aktive und passive, dann können die Konflikte in den wahlwerbenden Auseinandersetzungen ausgetragen werden. Dann gibt es ein Wahlergebnis, dann gibt es Mehrheiten – unterschiedliche, stabile, größere, kleinere –, und dann gibt es vor allem auch in den Parlamenten und in diesem Fall in den Vollversammlungen der Arbeiterkammer in der Debatte die Stimme dieser Leute. Denn das "Stimme-Geben" hat in diesem Fall einen Doppelsinn: Man darf stimmen, kann gewählt werden und darf dann in der Vollversammlung reden und mitsprechen. Auch wenn man in der Minderheit ist, kann man mitsprechen. Kollege Öllinger hat vorgeführt, wie das ist. Ich führe es Ihnen vor. Wir werden die Mehrheit nicht wenden, wenn wir hier sprechen. Aber immerhin ist das ein demokratiepolitisches Ventil. Und gerade dann, wenn Sie Konflikte befürchten, sollten Sie dieses Ventil nicht zuschrauben, noch dazu, als es ja Präjudizien in der Landschaft gibt! Ich erinnere an die Eisenbahner mit ihrem eigenen Betriebsverfassungsgesetz. Sie haben das eingeführt, und die Republik ist nicht zusammengebrochen. Es funktioniert!

Es war soviel vom europäischen Wirtschaftsraum und vom EU-Recht die Rede, nach welchem das an sich klar sei, daß das nur die anderen Ausländer betrifft, die Türken vielleicht, diese sind aber assoziiert, daher wisse man das nicht so genau: Verboten ist es gemäß EU-Recht jedenfalls nicht, die Demokratie auszuweiten. Verboten ist es nicht! Wir hätten keinen Konflikt, wenn wir das einführen und damit das machen, was in vielen anderen europäischen Ländern auch der Fall ist. Wir würden damit also nicht EU-Recht brechen. In der gegenwärtigen Situation verletzen wir es hingegen tendenziell, und das ist ungünstig, denn es ist peinlich genug, wenn wir bei anderen Gelegenheiten immer als diejenigen vorgeführt werden, die man erst auffordern muß!

Kollege Feurstein! Ich glaube nicht, daß Kollege Öllinger diesen Antrag ausschließlich wegen der Türken gestellt hat. (Abg. Dr. Feurstein: Natürlich! Warum hat er denn keine Deutschen auf der Liste?) Das glaube ich nicht. Ich glaube, er hat im Antrag klar zum Ausdruck gebracht, daß er möchte, daß das passive Wahlrecht unabhängig von der Staatsbürgerschaft allen zustehen sollte. Die Türken kommen darin gar nicht vor. Sie sind nur ein Sonderfall, weil sie durch die Assoziationsverträge mit der Union möglicherweise ohnedies jetzt schon Rechtsansprüche darauf hätten. Daß dieser Rechtsanspruch nur über europäische Instanzen durchgesetzt werden könnte, das ist vielleicht unangenehm. Alle anderen hätten es aber nicht. Es sei denn, die EU oder der EWR werden ausgeweitet. Aber das brauche ist jetzt nicht näher auszuführen.

Daher sage ich Ihnen: Die Eisenbahn fährt immer noch. Das Betriebsverfassungssystem ist noch nicht zusammengebrochen. – Vielleicht sollte man das doch in Erwägung ziehen, denn es ist eine logische Ableitung aus dem Konstrukt der gesetzlichen Mitgliedschaften, daß es nicht ohne weiteres gesetzliche Mitglieder zweier Kategorien geben kann.

Das gilt im übrigen auch für den Wirtschaftsbereich: Dort hat man das etwas besser gelöst. Wenn wir aber allgemein ernst genommen werden wollen, dann sollten wir eine so kleine Änderung doch eher bald vornehmen!

Ich hoffe, es kommt noch in dieser Legislaturperiode zu Beratungen im Ausschuß. Ich bin unverbesserlich und hoffe, daß es vielleicht doch irgendeinen Kippunkt und eine Mehrheit gibt. Wenn nicht, wird Ihnen auch in der nächsten Legislaturperiode dieses Thema nicht erspart bleiben.


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