Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 169. Sitzung / 135

rechtsberichtes abgestimmt werden. Es wäre für das Selbstverständnis dieses Hauses wirklich wichtig, ausdrücklich den politischen Anspruch zu formulieren, daß wir Abgeordneten der Republik Österreich Wert darauf legen, alle zwei Jahre vom Bundeskanzler durch Vorlage eines solchen umfassenden Menschenrechtsberichtes informiert zu werden.

Ich erinnere Sie daran, meine Kollegen Posch, Amon, Stoisits und Graf werden das wissen: Zu Beginn der Legislaturperiode führten wir Gespräche über die Einsetzung eines Menschenrechtsunterausschusses. Diese sind zunächst recht fruchtbar verlaufen, aber plötzlich sind sie versickert. Offenbar hat die Regierungsmehrheit die Freude daran verloren, aus welchen Gründen auch immer. Jetzt könnten Sie sich einen Ruck geben und diesem Fristsetzungsantrag zustimmen.

Es ist sicherlich weitaus unangenehmer, wenn Vorwürfe über Folterungen, über Mißhandlungen, über unerträgliche Verhältnisse in Schubgefängnissen im Raum stehen bleiben, die niemals evaluiert werden, außer von jenen, die selbst betroffen sind. Wir müssen die Betroffenen einerseits schützen und andererseits auf den rechten Weg zurückführen, und zwar dadurch, daß sie wissen, sie werden regelmäßig supervidiert. Niemand ist in der Lage, sich selbst zu kontrollieren. Bedenken wir, daß der alte Satz der Staatsrechtslehre "Wer bewacht die Wächter?" in einer komplexer werdenden Gesellschaft wichtiger ist denn je. Ein Menschenrechtsbericht, der dem Nationalrat vorgelegt wird und der uns auch in die Lage versetzen würde, wenn das nächste Mal – und das steht ja früher oder später bevor – wieder vom Europarat eine Visitation in Österreich gemacht wird, unsere eigenen Berichtsmaterialien darüber zur Verfügung zu stellen, wäre ein probates Mittel, politische Öffentlichkeit herzustellen, über Schwachstellen politisch zu diskutieren und gemeinsam politische Schlußfolgerungen daraus zu ziehen.

Wenn in der zuvor geführten Debatte zur Anfragebesprechung gesagt wurde, es gebe zu wenig Schubhaftkapazitäten – Herr Kollege Leikam war das, glaube ich –, dann sage ich: Das stimmt wohl, ja. Nur, es stellt sich zum Beispiel auch die Frage, in welchem Zustand sich die vorhandenen Kapazitäten befinden. Wird es weiterhin notwendig sein, daß das passiert, was lange Zeit in Wien der Fall war, daß nämlich die Belegung von Schubgefängnissen dadurch gesteuert wurde, daß die Verantwortlichen der Schubgefängnisse ärztliche Blanko-Atteste für die Feststellung von Haftunfähigkeit beziehungsweise Haftfähigkeit verwendeten, um damit offenbar die Belegung zu steuern?

Zum Schluß: Wissen Sie, wer für diese Blanko-Atteste verantwortlich war? – Es war der Polizeioffizier, der kurz darauf zum Polizeipräsidenten von Wien ernannt wurde! Sie dürfen sich nicht wundern, wenn das nicht unbedingt ermutigend auf jene Beamten in der Exekutive – und das ist die große Mehrzahl – wirkt, die die Gesetze streng einhalten, die ihre Vorschriften ernst nehmen und nicht mit einem Augenzwinkern über Menschenrechte hinwegsehen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

16.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Redezeiten für die weiteren Ausführungen betragen 5 Minuten. Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Posch. – Bitte.

16.46

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Kier hat bereits auf den Menschenrechtsbericht hingewiesen. Wenn wir auch der Fristsetzung nicht zustimmen, wir auch nicht meinen, daß ein solcher Menschenrechtsbericht jetzt aus aktuellem Anlaß debattiert beziehungsweise beschlossen werden sollte, und wir auch nicht der Meinung sind, daß ein Einzelfall, der passiert ist, durch einen solchen Menschenrechtsbericht zu verhindern gewesen wäre, so teilen wir doch das grundsätzliche Anliegen, nämlich, daß Grund- und Menschenrechte wesentliche Bausteine einer liberalen und rechtsstaatlichen Gesellschaft sind. Man muß sich stets bemühen, die Weiterentwicklung des Grundrechtsschutzes voranzutreiben. Außerdem ist Österreich dazu verpflichtet, zu wichtigen Konventionen der Vereinten Nationen in periodischen Abständen Berichte vorzulegen, wie Sie es auch in Ihrem Antrag geschrieben haben. Insofern teilen wir Ihr Anliegen inhaltlich vollkommen.


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