Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 169. Sitzung / 144

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser. – Bitte.

17.20

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Ich darf an die Ausführungen meines Vorredners Karl Smolle anschließen und mich ebenfalls mit dem Südtirol-Bericht und dem Ergebnis des Unterausschusses befassen, da dieser Bericht über ein hohes Maß an Aktualität verfügt, die weit über Südtirol hinausgeht.

Autonomie ist derzeit in vieler Munde. Autonomie für den Kosovo etwa war eine Forderung, die wir einige Jahre hindurch vernommen haben. Das hat auch sehr viel mit dem zu tun, was an Autonomie in Südtirol erreicht wurde. Wenn wir in die sechziger Jahre zurückblicken, dann sehen wir die Parallelen, sie sind nur heute, fast 40 Jahre später, aus dem Bewußtsein verdrängt – Gott sei Dank! Manches von damals in Südtirol erinnert an jene Berichte, die wir in den letzten zwei, drei Jahren über die Unterdrückung einer Volksgruppe aus dem Kosovo erhalten haben.

Die deutsche Volksgruppe war in den sechziger Jahren in Südtirol de facto wirklich unterdrückt. Es hat am Bozner Krankenhaus keinen deutsch sprechenden Arzt gegeben, und wenn ein nur deutsch sprechender Patient vom Land dorthin gekommen ist, hat er sich nicht einmal mit dem Arzt verständigen können. Keine Zweisprachigkeit bei Ämtern, bei Gerichten, bei Behörden, keine wirklich eigenständigen Bildungsmöglichkeiten für die deutschsprachige Bevölkerung. Das war die Situation zu Beginn der sechziger Jahre. Das Ergebnis waren Sprengstoffanschläge, Terroraktionen – man konnte sie damals wie heute als Terroraktionen bezeichnen –, ein Aufschrei der Bevölkerung. Die Reaktion darauf war damals eine erhöhte Militärpräsenz in Südtirol. Wenn man sich auf den Südtiroler Straßen bewegt hat, ist man zuhauf Militärfahrzeugen begegnet, man hat alles getan, um genau diese Autonomiebewegung zu unterdrücken. Dann aber haben wir im Zusammenhang mit Südtirol einen anderen Weg beschritten, und dieser kann, glaube ich, beispielhaft dafür sein, wie man mit solchen Problemen umgehen kann.

Bruno Kreisky war es damals, der dieses Problem vor die Vereinten Nationen gebracht hat – Sie wissen das. (Abg. Jung: Und Kontakte zum Befreiungsausschuß gehalten hat!) Bitte, das ist eine wirklich ernste Sache.

In zwei Resolutionen hat die Vollversammlung der Vereinten Nationen Lösungen vorgezeichnet und Lösungen aufgetragen. Und da beginnt der Unterschied zum Kosovo: Beide Länder, sowohl Österreich als auch Italien, haben diesen Weg dann ernsthaft beschritten.

Es gibt ein paar Merkmale, die man, was Autonomiebewegungen anlangt, aus diesen 35, 40 Jahren lernen kann:

Die Basis waren Resolutionen der Vollversammlung der Vereinten Nationen – das erscheint mir als sehr wichtig. Es folgten Zähigkeit, Geduld und eine enge Zusammenarbeit zwischen Südtirol und Österreich, und es dauerte 40 Jahre, bis diese Resolution nahezu vollständig umgesetzt war.

Weiters war die Autonomie ein gemeinsames Anliegen aller drei Volksgruppen in Südtirol – auch das ist entscheidend. Es funktioniert nicht, wenn eine Volksgruppe über die andere herrschen möchte. Es war ein gemeinsames Anliegen. Die Deutschsprachigen, die Italienischsprachigen und die Ladiner haben versucht, das Beste für ihr Land daraus zu machen.

Es gab vor allem auch eine besonnene politische Führung, die, solange es Fortschritte gegeben hat, den Weg der Verhandlungen nie verlassen hat und auch der Versuchung widerstehen konnte, zu polarisieren. Diesbezügliche Versuche hat es ja genug gegeben.

Es war aber auch eine kluge Bevölkerung, die jenen Gruppierungen, die in diesem Bereich polarisieren wollten, immer eine Absage erteilt hat. Jene Parteien, die die Selbständigkeit gefordert haben, sind über 5 Prozent nie hinausgekommen.


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