Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 174. Sitzung / 69

Kollege Michalek hat mich vorhin darauf aufmerksam gemacht – und ich möchte das gerne aufgreifen –, daß die Arbeitsgruppe zum Eherechts-Änderungsgesetz ihre Arbeit bereits unter Anwesenheit meiner Vorvorgängerin Johanna Dohnal begonnen hat. Wir hätten uns durchaus – und ich möchte die Wortmeldung des Kollegen Jarolim aufgreifen – mehr vorstellen können von dem, was an Veränderungen gerade im Familienrecht notwendig erscheint und angesagt wäre.

Ich habe parallel zu den Diskussionen in der Arbeitsgruppe eine Studie mit dem Titel "Die Verteilung der Haus- und Versorgungsarbeit vor dem Hintergrund der Scheidung in der sozialen und gerichtlichen Praxis" in Auftrag geben lassen. Ich möchte Ihnen gerne einige Erkenntnisse aus dieser Studie präsentieren, und zwar deswegen, weil sie ganz deutlich zeigen, worum es denn überhaupt geht und weshalb es die Notwendigkeit für Veränderungen gibt.

Zum ersten. Es ist sehr viel über das Verschulden, die Verschuldensfrage und den verschuldensunabhängigen Unterhalt gesprochen worden. Das hat nicht nur bei den wenigen Verschuldens- und Teilverschuldensscheidungen seine Auswirkung – das sagen auch die ExpertInnen –, sondern vor allen Dingen auch bei den vielen einvernehmlichen Scheidungen.

Es kann nämlich davon ausgegangen werden, daß die einvernehmlichen Scheidungen immer sozusagen auf Basis eines Verschuldens abgeschlossen werden und das Einvernehmen hergestellt wird, aber irgendwie schwimmt trotzdem immer die Frage Verschulden oder Nichtverschulden mit. Wir glauben, und die Experten gehen davon aus, daß es auch bei den einvernehmlichen Scheidungen sehr viel an Stützung geben wird, weil in Zukunft ganz andere Zugänge zum Verschulden und Nichtverschulden vorhanden sein werden.

Der zweite für mich sehr wichtige Bereich in dieser Novelle ist die Klarstellung und Dynamisierung bei der Aufteilung der Versorgungsarbeit. Das ist schon angesprochen worden, und ich möchte es nicht wiederholen. Ich möchte dabei nur einen zweiten Punkt noch erwähnen, der auch Eingang gefunden hat, nämlich die Verdeutlichung des Umstandes, daß auch der berufstätige Ehegatte den anderen in seiner Freizeit im Haushalt unterstützen muß. Das ist eine erste, wirkliche Weiterentwicklung!

Es geht nicht an, nur einfach zu sagen: Hier Berufstätigkeit, 38-Stunden-Woche, dort die Versorgungsarbeit. Das geht vor allen Dingen dann nicht, wenn Kinder da sind und wenn diese Kinder klein sind. Ich finde, es ist wichtig, das einmal von Gesetzes wegen gesagt zu haben, auch im Hinblick darauf, daß sich daraus durchaus gesellschaftliche Veränderungen ergeben werden.

Wovon sprechen wir, wenn wir über die heutige Situation in den Scheidungsverfahren reden? – Ich möchte Ihnen gerne ein paar Beispiele aus dieser Studie zur Kenntnis bringen und vorausschicken, daß es sich dabei um konkrete Scheidungsurteile handelt, die in der Studie anonymisiert wurden.

Erstes Beispiel: Der Mann ist Alkoholiker und mißhandelt Frau und Kinder. Sie wird mitschuldig geschieden, weil sie den Haushalt – seinen Angaben nach – nicht ordentlich geführt hat. Begründung – ich zitiere –:

"Gerade das auf charakterlichen Schwächen beruhende Fehlverhalten des Mannes erfordert eine besonders nachhaltige Betreuung der Kinder und der Ordnung im Haushalt." – Teilverschulden, kein Unterhalt. – Das ist die Situation, wie wir sie jetzt haben.

Zweites Beispiel: Die Frau wird teilschuldig geschieden, weil sie ihren Mann im Krankenhaus nicht besucht hat. Dieser hatte aber zu diesem Zeitpunkt bereits ein Verhältnis mit einer anderen Frau, was der Ehefrau bekannt war, sie hat es nur nicht beweisen können, wie das in diesen Situationen oft der Fall ist. Der Mann – so die Argumentation des Mannes – hatte jedoch die Affäre wegen der Vernachlässigung des Haushaltes begonnen. (Abg. Marizzi führt ein Telephongespräch mit einem Handy.)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Bundesministerin, entschuldigen Sie einen Augenblick. – Herr Abgeordneter Marizzi, bitte, das ist völlig unmöglich! Es besteht doch kein Zweifel darüber,


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