Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 180. Sitzung / 192

daß es gerade Sie waren, der gemeint hat, es sei eine Frage der Größe des Zeichens. Wäre das Zeichen ganz groß auf dem Gewehr abgebildet, dann wäre es ein größeres Problem für Herrn Minister Fasslabend.

Aber ich möchte es mir nicht so einfach machen wie Sie, Herr Kollege Jung, einfach zu sagen: Na ja, Sie wollen eben Herrn Khol seine Kameradschaftsbündler für den 3. Oktober abspenstig machen! – Herr Keimel machte ja diesen heldenmütigen Vorstoß im Sinne seiner Kameraden und wollte mit Herrn Khol reden. Sie wissen ganz genau, daß dort selbstverständlich auch ein Wählerpotential vorhanden ist.

Ich glaube, daß man das Thema, das Problem viel zu kurz, viel zuwenig differenziert bearbeiten und sehen würde, wenn man das Thema auf Ihren vordergründigen Versuch, hier die Kameradschaftsbündler auf Ihre Seite zu ziehen, reduzieren würde.

Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen aus ein paar Protokollen vorlesen, Aussagen von Menschen, von denen Herr Ofner meint, daß hier ein Gesetz auf dem Rücken der Betroffenen gemacht wird. Herr Kollege Ofner! Ich kann Ihnen kurz sagen, wie es zu dieser Sache gekommen ist.

Ich bin froh darüber, daß ich nicht schon 1960 in diesem Hause war. 1960 wäre ich wahrscheinlich unglücklich darüber gewesen, daß ich diesen Antrag nicht durchgebracht hätte. Denn es hat immerhin bis 1999 gedauert, bis es zu einem solchen Antrag gekommen ist, der so harmlos dasteht und gegen den eigentlich kein Abgeordneter etwas haben kann, so, wie die Formulierung lautet – ich weiß nicht, was Sie an diesem Antrag gefunden haben –:

"... die historische Aufarbeitung der Verurteilungen von Österreichern durch die nationalsozialistische Militärgerichtsbarkeit einschließlich des Reichskriegsgerichtes Berlin, insbesondere nach der Kriegssonderstrafrechtsverordnung, zu veranlassen und zu fördern sowie nach Vorliegen der Forschungsergebnisse für die Herbeiführung von Gerichtsbeschlüssen im Sinne der § 4 des Aufhebungs- und Einstellungsgesetzes, StGBl. Nr. 48/1945, und nach Möglichkeit für die Verständigung der Hinterbliebenen hiervon zu sorgen."

Ich kann hier kein einziges Wort finden, das Ihre falsch verstandenen Schuldgefühle verletzen könnte oder das Ihre falsch verstandenen Rücksichtnahmen verletzen oder berühren könnte. Aber was ist der tiefe Hintergrund? Was ist diese psychologische Frage, die hier offensichtlich immer wieder aufrührt und die auch so viele Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg, nach diesem verbrecherischen Krieg immer wieder aufrührt, immer wieder Wunden aufreißt?

Meine Damen und Herren! Ich lese Ihnen hier vor: Ein Deserteur hat bei der Fliegerabwehr gearbeitet – er war Flugmechaniker –, bevor er desertierte. Das geschah aus vielen Gründen. Es war nicht unbedingt Feigheit – wie hier von einigen immer leichtfertig unterstellt wird –, sondern es war eine Überlegung, die viele Hintergründe hatte.

Nach 1945 vermied er es weitgehend – so berichtet er –, über seine Desertion zu sprechen: Nach dem Krieg natürlich auch schon leichte Kontaktstörungen gehabt; ich bin halt ein wenig durcheinandergekommen, habe nicht mehr wissen wollen von allem. Mein seelisches Gleichgewicht war einfach erschüttert nach allem, was ich da mitgemacht habe. In den achtziger Jahren und Anfang der neunziger Jahre erzählte ich mehrmals in Schulen von meinen Erlebnissen.

Seine Generation sprach ja lieber über die Greuel der russischen Kriegsgefangenschaft als über die eigene Mitschuld und über die eigene Verantwortung, die bei jedem einzelnen unterschiedlich war. Und er sagt dann: Ich habe die Tugend des Schweigens entwickelt.

Er hat später das Gefühl gehabt: Eigentlich habe ich wie ein Widerstandskämpfer gehandelt. Trotzdem waren die Sachen viel zuwenig überlegt, sage ich mir immer. Man hätte eigentlich mehr Anleitung gebraucht, irgendwelche Hinweise und Informationen. Daran hat es überall gemangelt. Trotz der Schwierigkeiten und Anfeindungen beziehungsweise des Nichtverständnisses im Nachkriegs-Österreich bereue ich das nicht, was ich getan habe – sagt er –, ich habe im großen und ganzen doch richtig gehandelt.


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