Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 180. Sitzung / 193

Natürlich, mein Gott, vollkommen ist ja kein Mensch, Herr Ofner! – Aber im großen und ganzen habe ich versucht, richtig zu handeln, und insofern wäre ich schon zufrieden mit dem, was ich getan habe.

Herr Ofner! Jetzt geht es darum, daß diesen Menschen Gerechtigkeit widerfährt. Es gibt auch noch einen anderen, der einfach sagt: Ich hätte ganz gern, daß diese Handlungen entkriminalisiert werden. (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner.)

Herr Ofner, schauen Sie: Es war das nicht einfach eine Armee, in der Desertion bestraft wurde, sondern es gibt in der ganzen Geschichte keine vergleichbaren Verurteilungen in dieser Dimension. (Abg. Dr. Ofner hält ein Schriftstück in die Höhe. – Abg. Jung: Wissen Sie, wie viele die Franzosen erschossen haben? Wissen Sie das?) Ich meine jetzt nicht eine Kolonialmacht mit autoritären Zügen. (Abg. Jung: Nein, in Frankreich! Schon im Ersten Weltkrieg! Wissen Sie das?)

Ich meine jetzt einfach, daß es Verurteilungen gab, Zigtausende, die zu Tode verurteilt wurden wegen "Wehrkraftzersetzung", wegen eines unbedachten Wortes, wegen einer Bemerkung. "Dieser verdammte Krieg!" hat schon genügt, damit er vor dem Kriegsgericht gestanden hat und dann verurteilt worden ist.

Und Sie, Herr Jung, verweigern diesen Menschen heute hier und jetzt, daß man Ihnen zumindest fünfzig Jahre danach mitteilt: Es war richtig, daß du aus einer Armee gegangen bist, die das Verbrechen zum Großteil auf die Fahnen geschrieben hatte! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

70 Prozent der Todesurteile entfielen auf "Wehrkraftzersetzung" und auf "Fahnenflucht", meine Damen und Herren! Jetzt frage ich Sie, Herr Jung, Herr Ofner, Herr Scheibner und wie Sie alle heißen: Was veranlaßt Sie heute, 1999, zu sagen: Es ging nur darum, ein paar junge linke Historiker zu beschäftigen? – Angesichts eines Unrechts in unserer Geschichte, die man sehr differenziert betrachten muß und von der man nicht einfach sagen kann: Alle, die damals dabei waren, waren Verbrecher! (Abg. Jung: Eben! Eben!)

Herr Jung! Es geht darum, daß wir heute hier und jetzt unseren ganz bescheidenen Beitrag als Volksvertreter leisten und sagen: Jene Menschen, die in einer fremden Armee, in einer Besatzungsarmee ... – und das war auch immer die historische Lüge Österreichs, daß behauptet worden ist, wir seien von einer fremden Armee überfallen worden! In Deutschland hat man nämlich im Bundestag genau diese Regelung schon beschlossen, Herr Ofner, und man hat jenen Menschen Gerechtigkeit widerfahren lassen. Dort war es die eigene Armee.

In Österreich war es die fremde Armee. Es war an sich überhaupt nicht einmal eine Desertion. Aber Sie hören auf Herrn Keimel und auf Herrn Khol, auf das Schweigen des Herrn Amon und auf das Schweigen anderer ÖVP-Abgeordneter, die auch Angst vor dem 3. Oktober haben: Es könnte uns ja ein Kameradschaftsbündler weglaufen!

Meine Damen und Herren! Es geht um Gerechtigkeit, und es geht darum, daß die Frage, was damals Pflichterfüllung war, neu beurteilt wird. Wer hat damals seine Pflicht erfüllt? – Eine schwierige Frage! Was war damals Pflichterfüllung, Herr Jung? War es damals Pflichterfüllung, zu schweigen, sich zu ducken und abzuwarten? Oder war es damals Pflichterfüllung, auf die Seite der Alliierten zu laufen, wie das jener Deserteur getan hatte?

Wissen Sie, was dem widerfahren ist? – Er kämpfte dann zwei Jahre bei den Alliierten gegen die Faschisten, und diese zwei Jahre, die er bei den Alliierten gekämpft hatte, wurden ihm bei der Pensionsversicherung nicht angerechnet. Dort, wo es um die Zeit ging, in der er noch in der Wehrmacht arbeitete (Abg. Jung: Wer hat damals in Österreich regiert?), Herr Jung, dort hat es keine Probleme gegeben. Dort hat es Witwenrenten und Waisenrenten gegeben, dort hat es selbstverständlich für die Verwandten, für die Opfer, für die Kinder, die nichts dafürkonnten ... (Abg. Dr. Graf: Aber wir sitzen nicht in der Regierung seit 1945! Das ist Ihr Irrtum! Wir sitzen nicht in der Regierung seit 1945! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)


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