Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 182. Sitzung / 39

Es würde mich also tatsächlich interessieren, was Sie als "Familie" definieren. Das sind doch in der Mehrzahl der Fälle – egal, ob Sie jetzt leider sagen oder ob Sie das zur Kenntnis nehmen oder wie immer Sie die heutigen Zeiten definieren wollen – nicht mehr jene Familien, die Sie in irgendwelchen Traumbildern und Visionen noch vor sich haben. Aber Sie sagen: Wirtschaft und Familie – was immer Familie sein mag – sollen vereinbar sein.

Und dann versteigt sich Stummvoll doch tatsächlich zu der Aussage, daß die gesündeste Betriebsform der Familienbetrieb sei. Da hört sich meiner Meinung nach wirklich alles auf, und zwar sowohl aus wirtschaftlicher Sicht als auch was die wirtschaftliche Kompetenz angeht. (Beifall bei den Grünen.) Herr Stummvoll ist nicht irgendwer, das ist nicht der Hausmann, der hier spricht, sondern das ist der Vertreter der Wirtschaft in der ÖVP. Da hört sich doch alles auf. Ich sage Ihnen nur eines: Sie vertreten seitens der ÖVP nicht nur die Familienbetriebe und die kleinen und mittleren Unternehmen. Ich brauche mir nur Ihre Mitglieder im Wirtschaftsbund anzuschauen, die sehr wohl auch aus größeren Betrieben kommen oder große Betriebe oder Konzerne führen. Was werden diese zu der Aussage Ihres Vertreters hier an diesem Pult, daß die gesündeste Betriebsform der Familienbetrieb sei, sagen? – Das ist ein wirtschaftlicher Unsinn, den ich schon lange nicht mehr gehört habe! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf der Abg. Schaffenrath.)

Aber das ist vor allem aus familienpolitischer und frauenpolitischer Sicht ein kompletter Unsinn. Schauen Sie sich doch die Familienbetriebe an, bei denen Frauen drei- oder vierfache Lasten auf sich nehmen, um diesen Betrieb mit Angehörigen und mit der Familie mitzuerhalten! Das kann man doch nicht als Beispiel dafür hernehmen, wie optimal oder wie gut Familie – was immer Sie darunter verstehen mögen – und Beruf unter einen Hut zu bringen sind. (Abg. Dr. Fekter: Ich fühle mich nicht ausgebeutet und komme auch aus einem Familienbetrieb!)

Frau Fekter! Wir reden nicht von Ihnen. Sie können es sich offensichtlich leisten, genügend Hilfskräfte zur Unterstützung einzustellen, sodaß Sie gleichzeitig arbeiten, politisch aktiv und Mutter und Frau sein können. Wir reden von jenen Familienbetrieben, in denen kein Kapital da ist, sodaß die Frauen und Familien ohne Assistenz und Unterstützung ihre Arbeiten erledigen müssen. Von diesen Familienbetrieben reden wir. Das ist, wenn wir von Familienbetrieben reden – das sollten Sie besser wissen –, immer noch die Mehrzahl der Betriebe, und das sind nicht Ihre einzelnen Herzeigpolitiker und -politikerinnen. Das ist nicht die Mehrzahl der Fälle, von denen wir hier reden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Puttinger: Der Klassenkampf ist schon zu Ende!)

Dann sagen Sie noch dazu, die Schmerzgrenze sei erreicht. – Ihre ist erreicht, aber meine ist auch erreicht, wenn ich Ihnen zuhöre. Das sage ich Ihnen auch noch zum Abschluß und zum Abschied. Meine Schmerzgrenze ist auch erreicht!

Wenn wir in diesem Tempo weiter Gleichbehandlungspolitik betreiben, dann werden unsere Nachfolgerinnen und Nachfolger noch in 100 Jahren an solchen Gesetzen, an solchen kleinen Änderungen, an Beistrichen, an Und-, Oder-Formulierungen und dergleichen mehr herumkiefeln. Das ist ein Tempo, das beschämend ist (Beifall bei den Grünen) und das uns um 200 Jahre zurückwirft, aber nicht um 100 Jahre nach vorne!

Aber es ist bezeichnend – das paßt auch ein bißchen in meinen Rückblick –, daß wir im Gespräch, also sozusagen inoffiziell, informell, über wesentliche Fragen oft einer Meinung waren. Aber wenn es darum gegangen ist, daß wir als Frauen – ich betone: als Frauen, denn ich habe die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben – abseits und unabhängig vom Klubzwang einmal etwas beschließen sollten, dann haben Sie jeglichen Mut verloren.

Ich war jetzt gerade wieder auf einer internationalen Konferenz der OSZE-ParlamentarierInnen; dort gibt es immer auch ein Treffen der Frauen, der Parlamentarierinnen, bei dem von unseren Kolleginnen aus den nordischen Ländern, aus Schweden, aus Finnland, aus Dänemark, aus Norwegen, folgendes gesagt wurde: Wenn es hier keinen einheitlichen Konsens unter den Frauen gegeben hätte, und zwar quer durch alle Parteien, daß dringend etwas getan werden muß, um zum Beispiel die Frauenrepräsentanz in den parlamentarischen Gremien zu heben


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