Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 182. Sitzung / 176

Wir haben jetzt eine Legislaturperiode hinter uns, und im Goethe-Jahr sollte man Goethe zitieren: Wo viel Licht ist, da ist auch viel Schatten. – Ich möchte durchaus selbstkritisch damit anfangen, wo wir, die Koalition, das Ziel nicht erreicht haben. Ich möchte ganz bewußt von Schuldzuweisungen absehen, denn ein Scheit allein brennt nicht, und schuld sind wir immer alle.

Die Bundesstaatsreform ist mir als Tiroler wirklich ein Anliegen. Wir haben sie nicht zustande gebracht. Beim einheitlichen Anlagenrecht – ein Ziel, das sehr spröde klingt, aber bedeutet, daß der Wirtschaftsstandort Österreich wesentlich verbessert wird, weil Betriebsgründungen erleichtert werden – sind wir gescheitert.

Besonders ärgert mich das eigene Versagen, daß es uns nicht gelungen ist, dieser doppelbödigen Geschichte mit den österreichischen Geheimdiensten ein Ende zu machen. Es ist für mich unerträglich, daß ein führender Mann der Republik – kein Minister! – sagen kann: Jetzt haben sie kein Gesetz gemacht? – Macht nichts. Wir tun ohnedies das, was nicht im Gesetz steht und im Gesetz hätte verfaßt werden sollen.

Das hat jemand gesagt, der seit vielen Jahren daran arbeitet, seine eigene Ikone in diesem Land zu hinterlassen. Es ist aber dekuvrierend. Ich glaube, es wäre für unser Land gut gewesen, wenn wir wechselseitig über die Schatten gesprungen wären und sowohl die Staatspolizei als auch das Heeres-Nachrichtenamt und das Abwehramt in ein rechtsstaatliches Korsett gegeben hätten. Es wäre gut für unser Land. Ich bedaure, daß uns das nicht gelungen ist.

Ich bedaure auch, daß wir bezüglich der Fragen, die unser Land in den Grundfesten berühren – nämlich wie es mit unserer äußeren Sicherheit weitergeht –, zwar in der Regierungserklärung Verheißungen festgeschrieben haben, daß es uns aber nicht gelungen ist, diese Verheißungen in die Tat umzusetzen. Es ist ein Rückschritt, wenn wir zwar in der Regierungserklärung festgehalten haben, wir wollen alle Optionen für Österreichs Sicherheit, einschließlich des Beitritts zur Westeuropäischen Union, prüfen – jeder, der in diesem Haus hier in den Rängen sitzt, weiß, was das bedeutet –, aber heute zu diesem Satz keinen Konsens mehr finden. Das ist ein Rückschritt, und ich glaube, da muß man sich selbstkritisch prüfen: Was ist da fehlgelaufen? Betrifft das die Grundform der Regierung, oder ist das sozusagen ein Betriebsunfall?

Es gibt für alles eine Zeit, steht im Buch Kohelet. Ich habe jetzt selbstkritisch einige Dinge festgehalten, bei denen ich mich als Vertreter einer der beiden Regierungsparteien auch selbst an der Nase nehme, weil wir das Ziel nicht erreicht haben. Aber es kommt auch eine Zeit, in der man andere Dinge sagt.

Ich habe mir die Mühe gemacht und habe gelesen, was die Klubvorsitzenden unserer Konkurrenzparteien, nämlich Herr Haider, Frau Petrovic und Frau Schmidt, anläßlich der Regierungserklärung der Regierung Vranitzky – das ist ein Teil unserer Gesetzgebungsperiode – und auch der Regierung Klima – auch das ist ein Teil unserer Gesetzgebungsperiode – gesagt haben. Da muß ich bei aller Trauer über das eigene Versagen sagen: So gut, wie sie geglaubt haben, daß wir nicht sind, sind wir schon gewesen! Wir haben viel mehr gemacht, als Sie, Frau Schmidt, uns zugetraut haben. Frau Petrovic glänzt durch Abwesenheit, Herr Haider ist in Kärnten. Aber das, was uns die Oppositionsparteien vorausgesagt haben – das würden wir nicht zustande bringen, und das würden wir nicht zustande bringen, und das sind gute Absichten –, ist nicht eingetreten.

Meine Damen und Herren! Es hat vor wenigen Jahren einmal ein italienisches Buch gegeben, das hieß "L‘Austria é un paese ordinata" – Österreich ist ein ordentliches Land. Meine Damen und Herren! Diese Koalition hat diesem Buch Rechnung getragen. Österreich ist ein ordentliches Land, und wir haben gut regiert. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Jetzt kommen natürlich Vorwahltöne hinein. Niemand widersteht dieser Versuchung, denn am 3. Oktober entscheidet der Souverän dieses Landes, das Volk. Wir alle wissen ganz genau: Niemand weiß, wie unser Arbeitgeber entscheidet. Niemand! Die Karten werden neu gemischt. Jeder ist nervös, und jeder will seine Chancen sichern. Das ist legitim, und daher ist es legitim, daß wir natürlich auch jetzt Wahlkampf machen. Dennoch muß in dieser späten Stunde die Zeit dafür sein, zu sagen: Eigentlich hat dieser Nationalrat, in dem die Opposition eine Funktion hat –


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