Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 2. Sitzung / Seite 29

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etwas kaschierter, hinter dem Samtvorhangerl – vom Interessenausgleich spricht, dann meinen sie alle das Gleiche, nämlich die Verteidigung des Proporzes.

Wenn man nun von Seiten der Freiheitlichen hört, dass immer dann, wenn ein freiheitlicher Proporz stattfindet, wenn also ein Proporz durch einen anderen ersetzt wurde, plötzlich Objektivität und Objektivierung der Fall sei, dann kann man in Kenntnis der Situation, in Kenntnis der Geschichte der Proporzbesetzungen in Österreich eigentlich nur die Hoffnung verlieren, dass diejenigen, die sich als Reformkraft in Österreich verkaufen, auch nur den kleinsten Ansatz in diese Richtung wirklich ernst meinen. (Beifall bei den Grünen.)

Es gibt diesbezüglich in Österreich eine alte Tradition, von der CA bis zur PSK – von Streicher und Ditz in der ÖIAG will ich gar nicht mehr reden –, all diese Beispiele wurden bereits erwähnt. Heute hat nun der Herr Minister kurz davon gesprochen, dass es bei der Besetzung politischer Posten doch wohl möglich sein müsse, Experten mit politischem Bewusstsein zu entsenden.

Aber, meine Damen und Herren, brauche ich parteipolitisch gefärbte Chefärzte in parteipolitisch zuordenbaren Krankenhäusern? Braucht man rote und schwarze Krankenhäuser, in denen "rotes und schwarzes Penicillin" gespritzt werden? Braucht man rote und schwarze Bezirksschulinspektoren, je nachdem, welche Partei im Land die Mehrheit hat? – In diesen Bereichen kann ich überhaupt keinen Grund für eine Besetzung nach politischen Kriterien sehen. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte aber noch auf einen Punkt eingehen, der mir bisher viel zu selten in der Diskussion erwähnt wurde. Im Hintergrund dieser Proporzbesetzungen stehen Karriereleitern, die im wesentlichen über Männerbünde erstiegen werden. Dass es in den Spitzenfunktionen der Sozialpartnerschaft einen Mangel an Frauen gibt, ist ja kein Zufall. Und dass bei parteipolitischen Besetzungen dann die wenigen Frauen auf den Karriereleitern der jeweiligen Bünde schon nicht mehr berufen werden, verschärft das Problem der Abwesenheit von Frauen in Führungspositionen noch weiter. An Sie, meine Herren von den Freiheitlichen, sei gesagt: Ihre Rekrutierungsmuster über schlagende Verbindungen kenne ich! Und dass es in diesen ganz besonders keine Frauen gibt, ist uns wohl auch allen bekannt. (Abg. Scheibner: Das stimmt nicht!)

Die Bundesländer rühmen sich, mittlerweile in Sachen Objektivierung schon sehr weit zu sein. Sie rühmen sich auch dessen, dass es bei ihnen den klassischen rot-schwarzen Proporz nicht gebe. Auch Tirol, mein Heimatbundesland, zählt dazu. Wenn man allerdings weiß, dass dort Proporz durch "Monocolorität" ersetzt worden ist, dann erweckt das auch keine Hoffnung darauf, dass Führungsposten im öffentlichen Dienst, dass Spitzenpositionen in Verwaltung und Politik objektiv besetzt werden. Es werden Bezirksschulinspektoren, wenn sie unbequem sind, wegen Überqualifikation abgelehnt, damit man einen Parteinahen hineindrücken kann. Es wird das Mitglied der ÖVP-Vorstandsriege Landesamtsdirektor, und es werden entweder alle anderen Bewerber schon im Vorfeld der Objektivierungsverfahren demotiviert, sich überhaupt zu bewerben, weil die Sache ohnehin schon entschieden sei, oder es gibt beim Ritual der Objektivierungskommission nur mehr vorbereitete Antworten auf vorbereitete Fragen. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Meine Damen und Herren! Diese Scheinobjektivierung sind wir nicht zu akzeptieren bereit! Wenn sich diesbezüglich nicht etwas ändert, ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (fortsetzend): ... dann wird sich die Objektivierung von selbst erledigen, weil sie nur ein silberner Vorhang vor einem eher schmutzigen Geschäft ist. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

11.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich erkläre die Aktuelle Stunde für beendet.


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