Ich kann das bereits jetzt belegen, und zwar durch die Gegenüberstellung dessen, was Sie, Herr Bundeskanzler, uns vor gut einem Jahr in Ihrer Antwort auf die damalige Dringliche Anfrage zu Mochovce gesagt haben – ich habe mir das Stenographische Protokoll vom 13. März 1998 ausgehoben –, mit dem, was Sie heute gesagt haben. Hier zeigt sich – anhand von drei Beispielen lässt sich das auflisten – sehr deutlich, wie Sie von einem vergleichsweise noch couragierten Kurs umschwenken auf eine "Sondierungsreisewelle", könnte ich sagen, oder auf eine Sondierungsverhandlungsform.
Erstes Beispiel: Sie sagten damals am 13. März 1998: Wir werden uns "ernsthaft für ein kernenergiefreies Mitteleuropa einsetzen". – Heute sagen Sie: Wir werden "Überzeugungsarbeit" leisten.
Weiters sagten Sie damals – ich zitiere –: "Ich bekenne mich so wie Sie, sehr geehrte Frau Abgeordnete, zu einer aktiven Anti-Atompolitik" und zur Schrittmacherrolle Österreichs "für ein atomkraftfreies Mitteleuropa". Heute sagen Sie: Wir wollen eine "diskriminierungsfreie Politik" betreiben.
Ich blättere weiter: Damals sagten Sie: "Es erscheint – das muß ich Ihnen sagen – zum derzeitigen Zeitpunkt verfrüht, über die Reaktion der Bundesregierung auf die Ergebnisse" im Hinblick auf Mochovce "Spekulationen anzustellen".
Und weiters sagten Sie: "An unserer Ansicht, daß zumindest die Blöcke 1 und 2 des Kernkraftwerkes Bohunice ehestmöglich stillgelegt werden sollen, hat sich nichts geändert. Unsere Position ist klar: Sollte die Slowakische Republik das Kernkraftwerk Mochovce tatsächlich in Betrieb nehmen, so muß dies jedenfalls" – und ich unterstreiche das jetzt: Sie sagten das – "mit der umgehenden Schließung der ersten beiden Blöcke des Kernkraftwerkes Bohunice verknüpft werden."
Das sagten Sie! Das sagten Sie vor knapp eineinhalb Jahren, und heute sprechen Sie davon, dass wir möglichst hohe Sicherheitsstandards erzielen sollen, dass wir frühere Schließungen erreichen sollen und dass kein Beitritt von Ländern mit unsicheren Kraftwerken erfolgen soll. Bitte, das ist ein Quantensprung, das ist ein Qualitätssprung! Zwischen der Position von 1998 und der derzeitigen Position von Ende des Jahres 1999 liegen Welten!
Und deshalb ist es Aufgabe dieses Parlaments, Ihnen im Rahmen von Dringlichen Anfragen Ihre ursprünglichen Aussagen immer wieder ins Gedächtnis zu rufen und das auch protokollarisch festzuhalten. Denn: Bohunice ist ein Dammbruch! Reden Sie mit Radko Pavlovec, Herr Minister, Frau Ministerin, Herr Bundeskanzler! Experten sagen Ihnen immer wieder: Die Zustimmung zu diesem Energieprotokoll bedeutet auch grünes Licht für Bohunice, und das grüne Licht für Bohunice ist gleichzeitig auch grünes Licht für die Fertigstellung von Temelin. Und das grüne Licht für Bohunice ist auch grünes Licht für den Weiterbetrieb von Dukovany und auch für den Weiterbetrieb von Paks und von Krško. Was Sie da in der Anti-Atompolitik machen, ist wirklich eine Dammbruchpolitik. Bitte, halten Sie sich das vor Augen! Und ich sage Ihnen noch einmal: Das ist nicht meine Einschätzung, das ist die Einschätzung von Experten!
Und auch die Einschätzung von Diplomaten spricht für sich. Die Frau Botschafterin Matzner ist schon zitiert worden. Nicht ich stelle der Bundesregierung dieses Zeugnis aus! Lesen Sie Ihr eigenes Zeugnis im Brief der Frau Botschafterin Matzner: Da ist von Dilettantismus die Rede, da ist von parteipolitisch motivierter Vorgangsweise die Rede, da ist von unprofessioneller Herangehensweise die Rede. – Ja, mehr kann man gar nicht mehr sagen. Da steht es schwarz auf weiß, und es ist nicht von uns angeprangert worden, sondern leider von einer Mitarbeiterin aus Ihrem Regierungskreis der Öffentlichkeit in irgendeiner Weise zugänglich gemacht worden.
Ich möchte Sie auch wieder daran erinnern, was hier in diesem Parlament am 10. Juli 1997 mittels eines Fünf-Parteien-Beschlusses festgestellt worden ist. Damals haben die Mandatare und Mandatarinnen von SPÖ, ÖVP, Freiheitlichen, Grünen und Liberalen – damals waren sie noch im Parlament vertreten – beschlossen, dass die Vorlage von umfassenden Schließungsplänen zu einem unverzichtbaren Bestandteil des Beitrittsprozesses und auch der Vorbereitung der Verhandlungen von Helsinki gemacht werden. Das wurde paktiert, das wurde beschlossen.