Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 6. Sitzung / Seite 166

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Studienjahr. 25 Prozent gehen lediglich Ferialjobs nach. Aber eines ist beachtlich: Nur noch 32 Prozent der Studierenden sind völlig frei von Erwerbstätigkeit.

Es ist schon gesagt worden, und ich möchte das unterstreichen: Die absolute Mehrzahl der erwerbstätigen Studierenden arbeitet, weil sie arbeiten muss. Dafür gibt es natürlich sehr unterschiedliche Motive. Das Motiv, dass sie mehr Geld brauchen, spielt mit, ist aber sicherlich nicht das Entscheidende. Viele wollen unabhängiger von der Familie sein, vielleicht ist es sogar notwendig, von Zeit zu Zeit die Familie zu entlasten, sie wollen eine frühere Berufspraxis und vieles andere mehr. Es wurde bereits darauf hingewiesen.

Bedenkt man aber, dass es ein internationaler bildungspolitischer Schwerpunkt ist, in Richtung lebensbegleitendes, berufsbegleitendes Lernen zu gehen, so wird es sich noch verstärkt weisen, dass Höherqualifizierung regelmäßiger Art an den Universitäten oder im tertiären Sektor notwendig sein wird. Es muss also gesagt werden, dass der eingeschlagene Weg hin in Richtung offene Universität richtig ist und weiter zu gehen ist.

Hand in Hand mit dieser Entwicklung verändert sich natürlich die Altersstruktur der Studierenden, genauso wie deren familiäre Situation. Wir wissen, dass jeder fünfte Studierende in einer Partnerschaft lebt, 9 Prozent der weiblichen Studierenden haben, wie wir gehört haben, bereits Nachwuchs.

Ich meine daher, dass im Rahmen der zur Verfügung stehenden Autonomie die Universitäten auf der Grundlage dieser Ergebnisse reagieren werden, reagieren hin in Richtung Maßnahmen, die zu setzen sind, in Richtung flexiblerer Angebote, um die Vereinbarkeit von Studium und Beruf zu verbessern. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.37

Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr gelangt Frau Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek zu Wort. Sie wird 5 Minuten sprechen. – Bitte.

19.38

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ein paar abschließende Worte zum Bericht über die soziale Lage. Dass der typische Studierende, die typische Studierende heute der/die untypische ist, hat schon meine Kollegin Wolfmayr angesprochen. Wir wollen nun an der Interpretation weiterarbeiten.

Ich meine nicht, wie im ORF von Kollegen Grünewald zitiert, dass das Studieren ein Opfer sei. Ich meine, dass Studieren eine unendliche Chance eröffnet, eine Chance zu höchstmöglicher, bestmöglicher Qualifizierung für den Berufsweg, aber auch zu einer Identitätsentwicklung und Persönlichkeitsbildung zu kommen, die man in Österreich und auch sonst im europäischen Feld kaum wo findet. Dafür zahlen die österreichischen Steuerzahler zur selben Zeit viel Geld, und 230 000 Studierende profitieren davon. Das sollen wir nicht gering schätzen und durch eine möglicherweise unvorsichtige Interpretation die Studierenden arm reden. Ich bin dem Kollegen Rada sehr dankbar, dass er dem auch entgegengewirkt hat.

Viel eher gilt es für mich zu interpretieren, wie man mit der studentischen Patchwork-Identität umgehen kann, mit dieser originellen biographischen Selbstentwicklung, in der man arbeitet, studiert, in Partnerschaft lebt, einmal mehr das eine, einmal mehr das andere, und sich trotzdem nicht um jene Chancen bringt, die durch das eher traditionelle schnelle Studieren entstehen können.

Wir wissen, dass die Studierenden im europäischen Vergleich in Österreich älter sind, und dies aus Gründen der selbstgewählten Berufstätigkeit, aber nicht, weil sie am Hungertuch nagen, sondern weil sie, mit der allgemeinen soziologischen Entwicklung einhergehend, sich autonom vom Elternhaus halten wollen, weil sie zwar, wie das eine nette Studentin gesagt hat, ab und zu ganz gerne in einer Wohngemeinschaft mit den Eltern leben, aber nicht vom Suppentopf der Eltern leben wollen.


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