Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 8. Sitzung / Seite 38

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einmal vorgestellt hat, sofort mit einem Misstrauensvotum bedacht wird. (Zwischenruf der Abg. Mag. Stoisits.  – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Das ist schade. Ich bin aber trotzdem hier, denn in der Demokratie muss man das Gespräch führen, wann immer es gewünscht wird und egal, ob es angenehm oder unangenehm ist. Trotzdem sage ich: Es ist schade, dass Sie eine gute demokratische Usance gebrochen haben. Schade, aber ich stehe hier! (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Zweitens: Manche tun so, als ob in Österreich etwas Ungeheuerliches geschehen wäre. (Abg. Mag. Stoisits: Richtig erkannt! – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Was am 3. Oktober 1999 geschah, war eine ganz normale demokratische Wahl, aus der bei etwas gesunkener Wahlbeteiligung drei in etwa gleich starke Parteien hervorgegangen sind, von denen zwei miteinander eine Mehrheit im Parlament haben.

Ich brauche jetzt nicht auf die Vorgeschichte der Verhandlungen einzugehen, das wird sicherlich in der Debatte noch eine Rolle spielen. Aber ich mache darauf aufmerksam: Es gibt in diesem Hause eine demokratisch legitimierte Mehrheit von gewählten Volksvertretern. Und ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir unserem Land Instabilität durch vorgezogene Neuwahlen erspart haben, dass wir morgen ein Programm vorlegen wollen, das uns handlungsfähig macht, und dass Sie, meine Damen und Herren Abgeordneten, und die interessierte und kritische Öffentlichkeit die Chance haben werden, uns anhand der Worte und Taten zu beurteilen. Darum bitten wir Sie. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Aber es ist tatsächlich – und da hat Professor Van der Bellen vollkommen recht – auch etwas Ungeheuerliches geschehen. Auch ich sage das, und ich will das in keinster Weise minimieren: Österreich wurde schockiert durch die Maßnahmen der Vierzehn, und wenn Sie mich fragen, ob wir diese Maßnahmen voraussehen hätten können oder im Voraus informiert wurden, dann sage ich Ihnen ganz klar: Nein! Und ich begründe das auch, Herr Abgeordneter. (Zwischenruf des Abg. Eder.  – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Seit den Wahlen hat man – wie das selbstverständlich ist, wann immer irgendwo in Europa eine Wahl stattfindet – innerhalb der europäischen Familie immer wieder gefragt: Wie wird das bei euch sein? Welche Regierung kommt heraus? Gibt es Änderungen in der Politik, in der Europa- und in der Außenpolitik, in der internen Zusammensetzung? – Überhaupt keine Frage, dass man das von uns wissen wollte.

Es hat niemand geleugnet, dass es viele Fragen, Sorgen und Befürchtungen gegeben hat. Wir wurden selbstverständlich darauf angeredet. (Abg. Eder: Von Chirac?) Chirac hat mich angeredet, Chirac hat Bundespräsident Klestil in Istanbul angesprochen, Chirac hat mit mir in Helsinki geredet. Das ist selbstverständlich.

Der entscheidende Unterschied, den Sie hier verwischen wollen oder den Sie jedenfalls nicht genau herausgearbeitet haben, besteht aber darin, ob befreundete Staatslenker, Außenminister, Regierungschefs oder Staatspräsidenten sagen: Seid vorsichtig, überlegt euch das, wir wollen das nicht! – das wurde gesagt –, oder ob 14 Staaten ganz konkrete Maßnahmen ankündigen und androhen, die es in der Geschichte dieser Europäischen Union noch nie gegeben hat.

Diese Vorausinformation hat es nicht gegeben, meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Daher lehne ich Ihren Vorwurf, wir hätten die Öffentlichkeit oder gar das Parlament bewusst oder indirekt falsch informiert, wirklich mit Schärfe ab! Das stimmt nicht, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

So ist es ja nicht, dass man jetzt demütig, wenn man auf die eine Wange gehaut wird, auch noch die andere hinhalten sollte! Ich meine, man soll sich sehr wohl auch selbstbewusst wehren und fragen: Sind die Vorwürfe und Maßnahmen tatsächlich berechtigt? – Das ist doch die zugrunde liegende Frage, Herr Professor Van der Bellen! Sind die Maßnahmen der Vierzehn verhältnismäßig? Sind sie dem Geist und dem Buchstaben der Verträge angemessen, oder verletzen sie nicht gerade Geist und Solidarität der europäischen Verträge, zu denen wir uns bekannt haben?! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Leikam. )


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