Verzeihen Sie: Natürlich bin ich hier nicht frei von Emotion. Denn mein ganzes politisches Leben lang habe ich – wie auch viele andere hier im Hohen Hause – glühend für diese Europäische Union gekämpft. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Und eben weil ich für diese Europäische Union gekämpft habe, für einen Rechtsstaat, für eine politische Solidarität, empört es mich, wenn genau diese Prinzipien am Beispiel Österreichs nicht beachtet worden sind!
Das sage nicht nur ich. Lesen Sie zum Beispiel den Kommentar des Chefredakteurs der heute erschienenen Zeitschrift "Focus". Darin heißt es – ich zitiere –:
"Die EU-Partner Österreichs mögen Jörg Haider nicht mögen, sie können ihn unsympathisch finden oder politisch bekämpfen. Dass sie aber in einer konzertierten Aktion eine korrekte Regierungsbildung in einem demokratischen Mitgliedsstaat bestrafen wollen, ist beispiellos und schädlich für das Zusammenwachsen Europas." – Ende des Zitats.
Das sage nicht ich, das schreibt der Chefredakteur eines angesehenen Blattes. (Abg. Edlinger: War der "Focus" immer so angesehen?) Es gibt natürlich auch viele internationale Blätter, die genau das Gegenteil sagen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich versuche nicht, einäugig zu sein, sondern ich versuche, darzulegen, dass die Welt nicht so einfach ist und dass nicht alle 14 Regierungschefs und Regierungen, die gesamte Bevölkerung der 14 Mitgliedsstaaten und die gesamte öffentliche Meinung diese Aktion gutheißen. (Abg. Edlinger: Über das Frühstück in Amsterdam stand auch etwas im "Focus"!)
Die angesehene "Frankfurter Allgemeine Zeitung" schreibt: "Was dieser Tage in und mit Österreich geschieht, ist ohne Beispiel. Hat man in Brüssel und anderswo so wenig Vertrauen in die Resistenz des Gemeinschaftskörpers, dass man das kleine Österreich wie den Träger eines Infektionsherdes vorbeugend glaubt, unter Quarantäne stellen zu müssen?" – Das sollte man auch sagen!
Ich habe sehr viele Kontakte auch in den letzten Tagen und Wochen gepflegt. Viele – vor allem in den vergangenen Tagen – hatten bei dieser Aktion kein ganz gutes Gefühl. Das sei hier vorab gesagt. Daher besteht zwischen dem, was die Präsidentschaftskanzlei ausgesagt hat, und dem, was ich hier sage, absolut kein Gegensatz. Die Maßnahmen der Vierzehn sind mir persönlich am vergangenen Montag, also Montag vor einer Woche, am 31. Jänner – ich habe dieses Gespräch sehr genau im Ohr; ich werde es nie vergessen –, von Jaime Gama, dem portugiesischen Ratspräsidenten, etwa um ein Uhr Nachmittag zur Kenntnis gebracht worden.
Er sagte: Ich informiere dich im Namen der Vierzehn, aber nicht als EU-Präsident. Ich informiere dich vertraulich – es soll nicht publiziert werden – über die genannten drei Maßnahmen.
Diese Information hat nicht einmal zwei Stunden lang gehalten, dann ist sie natürlich auch schon hinausgegangen. Und es war natürlich auch eine Meldung, die "on behalf of the EU presidency", also im Namen der Vierzehn gemacht wurde, was meiner Einschätzung nach eine klassische Verletzung der EU-Spielregeln durch die Vierzehn ist. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Posch: Alle sind schuld, nur nicht der Schüssel! – Abg. Dr. Mertel: Alle sind böse!)
Meine Damen und Herren! Die Situation – ich bagatellisiere das überhaupt nicht – ist für uns wirklich ernst. Die Situation ist schwierig. Sie ist aber auch – und das trifft mich genauso – für die Vierzehn und für die gesamte Europäische Union schwierig. In Wahrheit ist da nämlich – das könnte vielleicht sogar ein Paradefall für die Diskussion über künftige Spielregeln innerhalb der Union werden – ohne ein korrektes Verfahren vorgegangen worden.
Ich bin sofort dafür, dass wir uns innerhalb der Fünfzehn eine Vorgangsweise überlegen, die Verträge so zu ändern, dass wir berechtigte Sorgen und Befürchtungen der Mitgliedstaaten in einen korrekten Prozess einbinden, dann aber auch einer Regierung und einem Volk die Chance geben, sich zu rechtfertigen und sagen zu können, was ist oder was nicht ist. Damit wäre ich sofort einverstanden. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)