Herr Bundeskanzler! Der stellvertretende freiheitliche Parteiobmann von Mödling verlangt in der "Kronen Zeitung" den Austritt aus der EU als einer Gemeinschaft der Günstlinge, Korruptionisten und Bürokraten, verbunden mit der Einstellung aller Zahlungen. (Abg. Dr. Ofner: Das wird man wohl noch verlangen dürfen!) Na ja, sehen Sie das auch so? Zustimmung aus den freiheitlichen Reihen – bitte das zu protokollieren! (Abg. Dr. Ofner: Ich bin dafür, dass jeder das sagen kann, und zwar, ohne dass er zensuriert wird!) Sehen Sie, der Sie immer den Einklang in Europa und die Notwendigkeit einer Verständigung beschwören, das auch so, sehen Sie auch die Partnerstaaten in der EU als Günstlinge, Korruptionisten und Bürokraten, verlangen auch Sie die Einstellung aller Zahlungen?
Oder dann am 15. März im Europäischen Parlament anlässlich einer Debatte über Menschenrechte, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit vom FPÖ-Abgeordneten Sichrovsky der Ausspruch, die Frage, wann denn das antifaschistische Kasperltheater ein Ende haben werde. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Ofner: Das war der Tag, an dem Sie die EU unterstützten, weil Sie sich für andere "geschämt" haben! – Abg. Dr. Martin Graf: Das soll eine Budgetrede sein?)
Das sind nur die hervorstechendsten Äußerungen, die, Herr Bundeskanzler, doch auch einmal der österreichischen Bevölkerung zu einer Meinungsbildung vorgelegt werden sollten. Auch Ihre Meinung dazu würde uns sehr interessieren.
Herr Klubobmann Khol hat heute, statt eine sachliche Debatte zu führen, von einem Femeverfahren gesprochen. Herr Klubobmann, Sie wissen, was das rechtshistorisch war (Abg. Dr. Khol: Ein Strafverfahren ohne Anhörung der Beschuldigten!), und Sie wissen, welchen Vergleich Sie hier angestellt haben. Deshalb frage ich Sie in aller Form, ob Sie das wirklich so sehen angesichts dieser Zitate und dieser Aussprüche, die ich Ihnen hier zur Kenntnis gebracht habe.
Herr Klubobmann! Sie sind sehr stark im Austeilen von Vorwürfen. Sie haben aber andererseits Anträge auf Einrichtung eines Untersuchungsausschusses, in dem wir uns das alles anschauen könnten, immer abgelehnt. Ich frage Sie: Warum? Und ich frage Sie, ich frage den Herrn Bundeskanzler: Was halten Sie von diesen Aussprüchen? Und: Wie ist es Ihnen ergangen bei der Gedenkfeier am Mauthausen-Gedenktag, als vom polnischen Botschafter, von Herrn Bartoszewski, erschütternde Worte kamen, als er klar und eindringlich und auf Argumente gestützt sich dagegen ausgesprochen hat, dass irgendjemand die österreichische Nation als Missgeburt bezeichnet (Abg. Dr. Ofner: Das hat er nicht einmal gesagt – er hat aber eine parteipolitische Rede gehalten!), als er sich dagegen verwahrt hat. Das regt Sie sehr auf, Herr Abgeordneter Ofner, und das regt Sie zu Recht auf. Das regt mich auch auf, und darüber sollten wir die Debatte führen in diesem Haus. Sie kommen an dieser Debatte nicht vorbei, das sage ich Ihnen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Ofner: Ich hätte mir etwas anderes erwartet!)
Und als ein Opfer des Nationalsozialismus, als ein Überlebender des KZ-Terrors hat Bartoszewski leidenschaftlich zurückgewiesen, dass irgendjemand in dem Land die NS-Beschäftigungspolitik als eine "ordentliche" bezeichnet, gab es nur Abgeordnete in Ihrem Sektor, und es waren auch Sie, Herr Abgeordneter, die nicht zugestimmt haben und diesen Äußerungen keinen Applaus gezollt haben. Keinen Applaus! (Abg. Dr. Ofner: Es war eine Veranstaltung, bei der der Herr Präsident einen Redner korrigieren musste!)
Herr Bundeskanzler, das ist die Debatte, die dieses Land endlich führen wird müssen (Abg. Dr. Partik-Pablé: Nicht auf diese Art!): sachlich, offen, aber nicht auf diesem Auge blind. Ansonsten sind Sie es, der mit diesen EU-Sanktionen ein sehr übles parteipolitisches Spiel spielt, weil Ihr eigentliches Interesse darin liegt, durch derartige Äußerungen, durch ein derartiges Verhalten die europäische Kritik möglichst lange aufrechtzuerhalten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
10.04