Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 22. Sitzung / Seite 42

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ist ein beachtliches Signal im Zusammenhang mit Österreichs Verarbeitung seiner Geschichte, und auf dieses Zuhören hat sich auch Ihr Redebeitrag konzentriert.

Herr Bundeskanzler! Wenn sich Ihre persönliche Position und Ihre persönliche Haltung in Bezug auf die Vergangenheitsbewältigung mit dem Satz: Zuhören ist ein beachtliches Signal! zusammenfassen lässt, dann kann ich nur sagen, das ist sehr mager und entspricht der Tradition der Nachkriegsgeschichte Österreichs: Nichts ändert sich! (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundeskanzler, sagen Sie mir einmal: Wer ist es, der ständig behauptet, dass nichts, absolut nichts im Zusammenhang mit der Bewältigung unserer Geschichte geschehen wäre? – Im Gegenteil, jene, die unter Umständen so etwas meinen, sind es, die den Druck erzeugen und das Tempo bestimmen, dass tatsächlich etwas passiert. Ich möchte jetzt nur auf die Dinge hinweisen, die ich selbst im Nationalrat in den letzten Jahren erlebt habe und die ich tatsächlich als beachtliche Signale werte. Ich meine damit nicht das Zuhören bei der Rede des ehemaligen Außenministers Polens Bartoszewski im Rahmen der Gedenkveranstaltung, auf die Sie sich in Ihrem Redebeitrag offensichtlich bezogen haben.

Die Einrichtung des NS-Fonds für die Opfer des Nationalsozialismus, des so genannten Nationalfonds, ist wahrlich ein beachtliches Zeichen gewesen – auch im internationalen Kontext gesehen –, aber, Herr Bundeskanzler, das, was der Fonds macht, und das, was passiert, sind Gesten, Gesten, die die Republik in Verneigung vor den Gräueln, die die Opfer erlebt haben, setzt. Es sind Gesten, und darauf beschränkt es sich.

Selbstverständlich ist auch – ich habe das schon mehrmals gesagt, und Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion haben es auch immer wieder erwähnt – die Rede des ehemaligen Bundeskanzlers Vranitzky beachtenswert, die er hier im Hohen Haus im Rahmen einer so genannten Jugoslawien-Debatte gehalten hat. Er hat die Mitverantwortung Österreichs für die Gräuel und Schrecken, die passiert und den Opfern widerfahren sind, einbekannt. Das war das erstmalige Einbekenntnis von solch hoher Stelle aus. Ein beachtliches Signal!

Deshalb, Herr Bundeskanzler, wird es doch noch erlaubt sein – immerhin sind seit Ende des Krieges 55 Jahre vergangen –, dass man ein bisserl Ungeduld zeigt und sagt, das Tempo sei zu langsam, die Aussagen seien zu weich, sie seien zu nebulos, sie seien zu wenig präzise, und dies auch im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Frau Regierungsbeauftragten, wie sie die ganze Angelegenheit Entschädigung – besser gesagt, Entschädigungsgesten, Entschädigung ist es ja keine – für die Zwangsarbeiter löst.

Darum, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, lassen wir uns und ich speziell nicht unterstellen, dass wir uns zuerst – in zeitlicher Abfolge gesehen – den Opfern des Nationalsozialismus widmen und erst dann, weil es dort viel weniger nachzuholen gibt, aber genauso intensiv, den weiteren Opfern des Krieges, nämlich den Gefallenen, ihren Verwandten, den Kriegsgefangenen, den Teilnehmern des Krieges.

Seit ich auf der Welt bin, habe ich es nicht erlebt, dass irgendjemand jemals geleugnet hätte, dass es die Menschen, nämlich die Österreicherinnen und Österreicher, während des Zweiten Weltkrieges schwer gehabt hätten. Alle haben ihre Männer, ihre Brüder, ihre Onkel, ihre Cousins, ihre Kinder im Krieg gehabt. Es war schwer, und sie sind gefallen, die Nachkriegszeit war schwer. Aber das ist nicht das Problem, Herr Bundeskanzler! Die Republik hat Renten bezahlt, tut dies heute noch und hat versucht, soviel Hilfestellung wie möglich zu geben. Aber bei den anderen Gruppen, nämlich bei den direkten Opfern des Nationalsozialismus, ist über Jahrzehnte kaum etwas passiert, und in manchen Bereichen ist gar nichts passiert. Darum, Herr Bundeskanzler, ist es geradezu Ihr und unser Auftrag, uns diesen Opfergruppen in erster Linie zu widmen. Und das erwarte ich von Ihnen, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Dr. Pittermann. )

Ich möchte jetzt nicht den Eindruck erwecken, dass es mir nur um die Kritik an Ihrer Person geht, sondern es geht mir jetzt auch um die Budgetdebatte. Es geht um Geld, obwohl Geld niemals die Gräuel, die die Menschen miterlebt haben, in irgendeiner Weise abdecken, wieder gut machen, entschädigen kann. Geld kann immer nur eine Geste sein, denn das, was erlebt wur


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