Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 22. Sitzung / Seite 145

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Deswegen unterstellen Ihnen – vielleicht weniger Ihnen als Person, aber anderen Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern der Bundesregierung – nicht nur Mitglieder der Opposition in diesem Haus, und zwar mit wachsendem Recht, dass es Ihnen immer weniger um Außenpolitik, immer weniger um Europa, immer weniger um faire Mechanismen und Verfahren, sondern immer mehr um innenpolitischen Gewinn geht.

Es stimmt: Von der Einbunkerung Österreichs profitiert vor allem die Österreichische Volkspartei. (Beifall bei den Grünen.) Das ist weder gut noch schlecht, das ist ein Faktum.

Faktum ist auch, dass sich, seit dieses erste Faktum bekannt ist, der Ton des Bundeskanzlers über Nacht geändert hat. Von einem weinerlichen "Man hat uns Unrecht getan, man hat den europäischen Musterschüler bestraft und ihn zum Opfer gemacht!" hat über Nacht die Wandlung zum drohenden, zum attackierenden und zum mobilisierenden Kanzler stattgefunden. – Und jetzt erkläre mir irgendjemand, das habe etwas mit europäischer Entwicklung zu tun. Das ist reine Innenpolitik!

Frau Bundesministerin! Sie werden sich entscheiden müssen, so wie sich die gesamte Bundesregierung entscheiden muss. Es gibt eine wachsende Dialogbereitschaft der 14 Mitgliedstaaten der Europäischen Union auch aus eigenen politischen Problemen heraus, die sich die 14 mit den Sanktionen geschaffen haben – auch das ist ein Faktum. Es wird nicht nur nach einem Ausweg, sondern nach einer Lösung und einem Fortschritt im europäischen Einigungsprozess gesucht.

Sie haben nur zwei Möglichkeiten: Entweder eine produktive und engagierte österreichische Beteiligung – dann hätte ich mir von Ihnen eine Erklärung erwartet, dass Sie etwa die Blockade Österreichs in Bezug auf eine einklagbare europäische Verfassung in Strassburg und Brüssel aufgeben. Dann hätte ich mir erwartet, dass Sie endlich aufgeben, die Parlamentarisierung der zweiten und dritten Säule gemeinsam mit anderen Nachzüglern des Einigungsprozesses zu blockieren. Aber vielleicht haben Sie sich wirklich für das andere entschieden, nämlich maximales innenpolitisches Kapital aus den Sanktionen zu schlagen.

Sie als erfahrene Europapolitikerin wissen ganz genau, was unter dem Strich bleiben wird: Das Tempo werden dann irgendwann – spätestens am Tag der Volksbefragung – nicht Sie, sondern die Anti-Europäer in Ihrer Regierung angeben. Wenn Sie diesen Kurs weiterfahren – und das ist ein Entweder-oder, da gibt es kein Dazwischen! –, dann begeben Sie sich Schritt für Schritt auf freiheitliche Linie.

Frau Bundesministerin! Die Entscheidung ist in dieser Republik, in dieser Bundesregierung und in diesem Haus noch längst nicht gefallen. Sie haben in einem anderen Sinn durchaus Recht: Die Türen stehen in Europa etwas weiter offen als noch vor wenigen Wochen. Aber Sie werden einige Schlussstriche ziehen müssen, einige Haltungen ändern müssen und selbst einen produktiven Vorschlag machen müssen, damit daraus wirklich offene Türen werden. Im Interesse dieser Republik und dieses Hauses würde ich mir sehr wünschen, dass wir dann erstmals von einem wirklichen Azorenhoch, Brüsseler oder Strassburger Hoch berichten könnten. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Schieder. )

19.00

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Jung. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

19.00

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die österreichische Außenpolitik befindet sich gegenwärtig in der schwierigen Lage, sich gegen rechtlich nicht gedeckte und auch unbewiesene Vorwürfe aus 14, wie man uns bisher immer wieder gesagt hat, befreundeten Staaten wehren zu müssen, die zu Unrecht glauben, sich in innerösterreichische Fragen einmischen zu können.

Unaufgeregt, ruhig und bestimmt hat die österreichische Regierung bisher darauf reagiert, und das war richtig so. Umso empörender ist es aber – und für die überwiegende Mehrheit der


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