Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 22. Sitzung / Seite 159

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Die Fragen, die sich jetzt stellen, sind folgende: Kann man unter der österreichischen Vorsitzführung von irgendeinem Erfolg im Zusammenhang mit Tschetschenien sprechen? Wie schauen die Strategien der österreichischen Regierung aus, beziehungsweise ist ihre Handlungsfähigkeit überhaupt gegeben? Reicht die stille Diplomatie, die oft allzu stille Diplomatie, aus, oder sollten doch manchmal klare Worte gesprochen, klare Konzepte vorgelegt und vielleicht auch Forderungen gestellt werden?

Andere Länder und andere Organisationen sehen hier absoluten Handlungsbedarf. Wenn man sich die Chronologie ein bisschen anschaut, dann sieht man, dass der deutsche Außenminister Joschka Fischer bereits im Februar eine sofortige und gründliche Untersuchung dieser Vorfälle in Tschetschenien und auch den freien Zugang für die UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, Mary Robinson, gefordert hat. Dieser freie Zugang sollte nicht nur Teile Tschetscheniens, sondern auch die Stadt Grosny und die so genannten Filtrationslager beinhalten.

Im März hat die EU erklärt, dass eine Untersuchung mit internationalen Beobachtern unbedingt notwendig sei. In dieselbe Kerbe schlugen dann Deutschlands Bundeskanzler Gerhard Schröder und Mary Robinson selbst, die äußerst erschüttert war über Berichte von Hinrichtungen im Schnellverfahren, von Einschüchterungen, Vergewaltigungen, anderen Verletzungen, Angriffen auf Zivilistenkonvois und dergleichen.

Auch sie hat einen konstruktiven Vorschlag gemacht, und zwar fordert sie eine Expertenkommission, die aus unabhängigen Juristen bestehen soll, aus Vertretern nichtstaatlicher Organisationen sowie Mitarbeitern der Zivil- und Militärstaatsanwaltschaft. Auch Generalsekretär Kofi Annan, die EU, Amnesty International und auch die Organisation "Human Rights" sind dafür eingetreten.

Erst Ende April wurde von Seiten der österreichischen Vorsitzführung eine Untersuchungskommission gefordert. Das war ziemlich spät, das war so spät, dass Kritik an der Vorsitzführung kundgetan wurde, und zwar vor allem von der renommierten Tageszeitung "Le Monde", die die Frage aufwirft, ob die OSZE unter dieser zaghaften Führung zu einem Feigenblatt für die Verbrechen in Tschetschenien werden könnte. Und ich möchte aus dieser Ausgabe von "Le Monde" vom 17. April zitieren:

Unter den zahlreichen, von den russischen Behörden in ihren Zonen in Tschetschenien organisierten Besuchen war jener der OSZE derjenige, bei dem der Aspekt der potemkinschen Dörfer am meisten zugespitzt war. In dem Artikel, der den Titel "Die wenig glorreichen Rückkehrprojekte der OSZE nach Tschetschenien" wird dann daran erinnert, dass Russlands Präsident Wladimir Putin ein Treffen mit der UNO-Menschenrechtskommissarin Mary Robinson verweigert und abgelehnt hatte, während die Frau Außenministerin mit Prunk empfangen worden sei.

Die Zeitung "Le Monde" schreibt weiter: Im Gegensatz zu Mary Robinson hat Frau Ferrero-Waldner weder die angeordnete Gewalt gegen die Zivilbevölkerung in Tschetschenien noch die Weigerung, ihr gewisse Gefangenenlager zu zeigen, verurteilt.

Ich denke, das ist schon ein sehr schwerwiegender Vorwurf.

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Frau Abgeordnete! Da die Signalanlage hier offensichtlich nicht funktioniert, mache ich Sie darauf aufmerksam, dass Ihre freiwillige Redezeit jetzt zu Ende wäre.

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (fortsetzend): "Le Monde" kommt also zu dem Schluss, dass die OSZE unter einem vorsichtigen, zu vorsichtigen, zu zaghaften Vorsitz riskiert, die Rolle eines Feigenblattes zu bekommen. Und ich frage mich, ob hier nicht etwas geändert werden sollte, und ich frage mich weiters, ob diese Möglichkeit für Sie, Frau Ministerin, überhaupt besteht, da Sie ja von Regierungsseite nicht immer jene Unterstützung bekommen, die Sie brauchen würden. Wie man sieht, werden auch in anderen Bereichen, vor allem im sozialen Bereich, vor allem dort, wo es um die Schwachen geht, sehr massive Budgetkürzungen vorgenommen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.06


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