Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 24. Sitzung / Seite 96

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Die potentiell Betroffenen sind nicht klar, der Zeitpunkt ist nicht klar.

Die dritte Frage lautet: Aus welcher Bestimmung der österreichischen Verfassung – die für uns alle gelten sollte, und auf die wir einen Eid geleistet haben – leiten Sie die besondere Schutzwürdigkeit militärischer Rechtsgüter ab? – Ja, es ist zwar so, dass die umfassende Landesverteidigung in der Verfassung als Schutzgut genannt ist, aber neben anderen! Und ich kann nicht erkennen, wieso dieses eine Rechtsgut ganz exzeptionelle Befugnisse der Militärs, auch der geheimen Dienste, nach sich ziehen soll, der Schutz anderer Rechtsgüter jedoch nicht.

Die "Mütter gegen Atomgefahren" treten für die Gesundheit ihrer Kinder ein, für den Schutz des Lebens – ein eindeutig geschütztes Rechtsgut, ein mehrfach auch international geschütztes Rechtsgut! (Abg. Dr. Ofner: ... Abtreibung!) Wieso sind die militärischen Rechtsgüter in diesem Entwurf übergeordnet? Wieso geht es sogar so weit, dass darin ein ziemlich undifferenzierter Waffengebrauch genehmigt wird?

Wieso gibt es eine Lizenz zum Lügen? – Es ist darin eine Regelung verbrieft, falsche Auskünfte erteilen zu dürfen – ohne Konsequenzen, ohne Amtsmissbrauch oder Ähnliches! Das heißt, ein Verfassungswert, der neben anderen steht, erfährt auf einmal ein ganz anderes Schutzniveau! Das ist eindeutig verfassungswidrig, weil sich diese Höherwertigkeit militärischer Schutzgüter aus keiner einzigen Bestimmung der österreichischen Verfassung ableiten lässt.

Meine Damen und Herren! Es stellt sich insbesondere die Frage: Welche rechtsstaatlichen Grenzen des Einsatzes gibt es? – Ganz offensichtlich sind ja andere Grundrechte keine Grenze mehr. Das Fernmeldegeheimnis ist kein Gegenstand mehr – Handys kann man überwachen, alles kann man überwachen!

Es geht aber sogar noch weiter – und darin, würde ich sagen, ist eine ganz harte und eindeutige Verfassungswidrigkeit enthalten –: Öffentlich Bedienstete können verhalten werden, ein schweres Delikt zu setzen, nämlich Urkundenfälschung! Ich lese Ihnen das vor, denn ich habe den Eindruck, dass etliche Abgeordnete den Entwurf nicht gelesen haben (Abg. Dr. Stummvoll: Erklären Sie uns das!)  – ich zitiere –:

"Soweit Bundesbehörden oder Behörden der mittelbaren Bundesverwaltung oder Bürgermeister gesetzlich zur Ausstellung von Urkunden berufen sind, haben sie auf Verlangen des Bundesministers für Landesverteidigung zum Zweck verdeckter Ermittlungen" – beispielsweise gegen die "Atom-Mütter" – "nach Abs. 4 Urkunden herzustellen, die über die Identität einer Person täuschen. Diese Urkunden dürfen nur im Rahmen eines Auftrages einer militärischen Dienststelle nach Abs. 1 im Rechtsverkehr verwendet werden." – Zitatende.

Na bravo, kann ich nur sagen! Die Lizenz zum Urkundenfälschen, und zwar nur im Dienste der militärischen Behörden – das ist ungeheuerlich! Das sprengt jeden Rahmen! Vor allem aber gibt es doch noch, so hoffe ich, ein öffentliches Dienstrecht, in dem bisher jedenfalls sehr klar geregelt war, wie weit öffentlich Bedienstete Weisungen zu befolgen haben. Diese Grenze heißt bisher: Strafrechtswidrigkeit. Das bedeutet, dass ein öffentlich Bediensteter oder eine öffentlich Bedienstete dem Vorgesetzten ein Nein sagen muss, wenn dieser mit dem Verlangen an sie oder an ihn herantritt, eine strafrechtswidrige Handlung zu setzen. Die Fälschung von Urkunden ist eindeutig, klipp und klar ein strafrechtswidriger Akt.

Wie können Sie mit einem einfachen Gesetz diametral in andere einfache Gesetze eingreifen? Das ist eine krasse, eine eindeutige und unverhüllte Verfassungswidrigkeit. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Man muss das wirklich noch einmal auf der Zunge zergehen lassen: Sie müssen Urkunden fälschen, um andere zu täuschen, sie setzen also Handlungen, die sonst Verbrecher setzen. – Herr Bundesminister! Das kann wohl nicht im Ernst in einer Regierungsvorlage stehen! Oder wollen Sie wirklich Leute dazu bestimmen, Verbrechen zu begehen, und zwar im Dienste eines Wertes, der nicht über den anderen Werten unserer Rechtsordnung steht? (Zwischenruf.)


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