Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 25. Sitzung / Seite 136

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macht. – Ich muss sagen, was mir und auch vielen anderen Menschen in unserem Lande Sorge bereitet, ist gerade dieses Thema, und ich teile daher diese Sorge mit ihnen.

Im Lichte der gestern und heute laufenden Diskussion und im Lichte dessen, was da langsam Formen annimmt – wenn etwa ernsthaft der Vorschlag gemacht wird, dass Kritiker durch Strafmaßnahmen mundtot gemacht werden sollen, das heißt, dass Gesinnung unter Strafe gestellt werden soll –, frage ich Sie schon, Herr Minister: Wer bestimmt denn, was zum Wohle der Republik ist? Wer bewertet denn die unterschiedlichen Vorstellungen der verschiedenen politischen Parteien? Und ich frage mich: Wohin entwickelt sich die Justiz, und wohin entwickelt sich dieses Land?

Was mir auch Sorge bereitet – das schon, als die neue Regierung angelobt wurde –, passt in dieses Schema: Bei der Diversion wurde das größte Reformprojekt der letzten 25 Jahre in Frage gestellt.

Die Diversion ist erst seit 1. Jänner 2000 in Kraft, also seit vier Monaten. Aber bereits jetzt, vier Monate nach Inkrafttreten, soll sie zurückgestutzt, zurückgeschraubt werden. Ich bin froh, dass es wenigstens Einvernehmen darüber gibt, dass es vor eventuellen Rückschritten und Änderungen eine Enquete über dieses Thema geben wird, denn ich halte die öffentliche Diskussion, das nochmalige Anhören von Fachleuten und auch und vor allem die Bewertung von Erfahrungen in diesem Bereich für sehr, sehr wichtig. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)

Es ist richtig, dass sich nicht alles für die Diversion eignet – aber dauernd zu unterstellen, dass Richter und Staatsanwälte, also jene, die ständig mit dieser Materie zu tun haben, nicht die Erfahrung besitzen, nicht das Fingerspitzengefühl dafür haben, wo eine Diversion sinnvoll und richtig und wo sie falsch wäre, halte ich – so möchte ich das einmal nennen – für nicht angebracht. (Beifall bei der SPÖ.)

Mir ist gerade in diesem Bereich das Opfer das Wichtigste. Und ich frage mich: Wie sieht es denn in diesen Fällen für die Opfer aus, und welche Vorteile haben denn die Opfer? – Ich habe mir dazu die Zahlen aus der Interventionsstelle meines Bezirkes geben lassen. Daraus geht hervor: Zwischen 1996 und 1999 wurden 1 406 Fälle der Diversion zugewiesen. Und die Bilanz, sehr geehrte Damen und Herren, kann sich sehen lassen!

Im Erwachsenenbereich waren es 89 Prozent der Fälle, die positiv erledigt wurden. In nur 11 Prozent der Fälle mussten Strafanträge gestellt werden. Und im Jugendbereich schaut es noch positiver aus: 94 Prozent der Fälle wurden positiv erledigt; nur bei 6 Prozent der Fälle kam es zum Strafantrag.

Wenn man sich dann von den Leuten, die diesen außergerichtlichen Tatausgleich durchführen, die Fälle erzählen lässt, dann wird einem klar: Bei dieser Konfliktregelung kommt dem Opfer mit seinem Schaden, mit seinen Unannehmlichkeiten und auch seinen Schmerzen eine ganz zentrale Rolle zu. Der Täter muss sich mit dem Opfer auseinander setzen. Dabei wird sehr vielen Tätern eigentlich erst bewusst, welcher Schock, welche Schmerzen, welche Unannehmlichkeiten mit diesen Taten für das Opfer verbunden waren. Der Täter hat damit auch Verantwortung für das Opfer zu übernehmen.

Die Bereitschaft zur Wiedergutmachung – das sagen alle, die in diesem Bereich tätig sind – ist ungleich höher, wenn sich der Täter mit seinem Opfer auseinander setzen muss. Und unser aller Anliegen, sehr geehrte Damen und Herren, muss es sein, Kriminalität und vor allem Gewalt in all ihren Erscheinungsformen zu bekämpfen.

Wenn ich mir die Rückfallquote anschaue, die im Bereich der Diversion nur halb so hoch ist wie in allgemeinen Strafverfahren – also die Hälfte der Straftaten von immerhin durchschnittlich 90 Prozent der Fälle, die über die Diversion behandelt wurden, konnten verhindert werden –, dann meine ich, das Zurückdrängen, das Zurückstutzen der Diversion heißt in Wahrheit Zurückdrängen und Zurückstutzen des Opferschutzes. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

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