Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 32. Sitzung / Seite 161

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Es hätte schon heute so weit sein können. Wir haben jetzt noch zwei Tage Galgenfrist bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Reaktor mit Brennstäben beladen wird. Es hat gestern von Ihnen, Herr Bundeskanzler, die erste Aussage zu diesem Problem gegeben. Sie haben in den letzten Monaten, während all der Tage, an denen die Dramatik der Situation klar geworden ist, beharrlich geschwiegen. Sie haben sich gestern das erste Mal zu dieser Gefährdung der österreichischen Sicherheit, zu diesem massiven umwelt- und außenpolitischen Problem Österreichs mit einem sehr lapidaren Satz geäußert. Sie sagten, Sie nähmen die Sicherheitsbedenken, die Sorgen ernst. – Herr Bundeskanzler! Das ist absolut zu wenig.

Ich möchte die Situation noch einmal kurz beschreiben. Wir haben am Montag noch einmal Unterlagen bekommen, Fakten, die von der Umweltorganisation Greenpeace in Tschechien aufgedeckt worden sind. Nicht genug damit, dass dieser Reaktortyp ein Ost-West-Mix ist, der noch nie erprobt worden ist, ist in den letzten Tagen ein solcher Zeitdruck von Seiten der Temelin-Befürworter in der Regierung ausgeübt worden, dass offenbar Mängel entstanden sind, und nun, in der heikelsten Phase, in der es um den Reaktordruckbehälter geht, wurden noch ganz massive Sicherheitsmängel offen gelegt.

Dubiose Praktiken werden der CEZ vorgeworfen. Es wird ihnen vorgeworfen, Dokumente, die ganz wesentlich sind, um die Sicherheitsfrage zu beurteilen, geheim zu halten und damit Firmeninteressen, Geschäftsinteressen über die Interessen der Bevölkerung, der Umwelt und der Sicherheit zu stellen.

Herr Bundeskanzler! Ich frage Sie: Was haben Sie in den letzten Monaten, seit Sie Bundeskanzler sind – Sie waren vorher auch noch Außenminister –, gemacht, um eine dieser wesentlichsten Fragen der österreichischen Sicherheit in irgendeiner Weise zum Anlass zu nehmen, aktiv zu werden? Was haben Sie persönlich gemacht? (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundeskanzler! Ich frage Sie: Waren Sie ein einziges Mal in Tschechien? Haben Sie mit der tschechischen Regierung in irgendeiner Weise Kontakt aufgenommen und dieses Problem angesprochen? Haben Sie all die Aufträge, die von Seiten des Parlaments in vielen Schriften niedergelegt sind, in irgendeiner Weise erfüllt?

Ich frage Sie: War das gestern das einzige und letzte Mal, dass Sie sich zu Temelin geäußert haben? Soll irgendwie nur noch der Schwamm über die ganze Affäre gewischt werden – und damit über 15 Jahre Widerstand, 15 Jahre lange österreichische innenpolitische Kraftanstrengung, um dieses Kraftwerk zu verhindern? Soll das alles jetzt vom Tisch gewischt werden? Soll das Kraftwerk einfach in Betrieb gehen, und Sie äußern sich dazu mit dem lapidaren Satz, Sie nähmen die Sorgen und die Befürchtungen ernst?

Wie oft haben Sie wirklich mit den Befürwortern in der tschechischen Regierung über Temelin gesprochen? Ist Ihnen überhaupt bekannt, dass das innenpolitisch eine heftige Kontroverse ist? Wissen Sie, dass wir dort Verbündete haben? Haben Sie jemals mit dem Industrieminister Gregr Kontakt aufgenommen? Haben Sie einen einzigen dieser Temelin-Befürworter kontaktiert und ihnen mitgeteilt, dass die österreichische Position in dieser Frage sehr klar ist? Haben Sie jemals auf höchster politischer Ebene mit dem Premier Milos Zeman in irgendeiner Weise Kontakt aufgenommen? Oder haben Sie die ganzen letzten Wochen und Monate, seitdem Sie Bundeskanzler sind, Temelin und die ganze Problematik verschlafen?

Herr Bundeskanzler! Die Dramatik ist nicht zu überbieten! Wir haben in dieser Frage seit 1978 eine ganz besondere Verantwortung. Wir haben auch eine Verantwortung gegenüber all jenen Gruppen, die in ihrer Freizeit ehrenamtlich vor Ort massiv gegen dieses Kraftwerk gekämpft haben. All diese Menschen und die gesamte österreichische Bevölkerung haben ein Recht darauf, dass Sie sich als Bundeskanzler massiv hinter diese Interessen stellen. Sie haben das in den ganzen letzten Wochen und Monaten nicht gemacht! (Beifall bei den Grünen.)

Jetzt komme ich zu einem zweiten Punkt, zur österreichischen Komplizenschaft, die ganz massiv verdeutlicht, wie heuchlerisch die Anti-Atompolitik in den letzten Wochen und Monaten war. Wir wissen, es sind österreichische Firmen vor Ort beteiligt. Nach Angaben der CEZ ist es Philips Österreich, die die Bauzaunüberwachung macht, es ist die VOEST, die sich für die


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