Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 34. Sitzung / Seite 47

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hundertprozentige Rechtssicherheit erzielt worden, aber mit diesem Gesetz ist eine entscheidende Voraussetzung dafür geschaffen worden, dass 55 Jahre nach dem Ende der NS-Herrschaft den ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern, die verschleppt, entrechtet, misshandelt und ausgebeutet wurden, auf österreichischem Territorium spät – für viele zu spät – in Form einer humanitären Geste ein Stück Gerechtigkeit und Wiedergutmachung für erlittenes Leid widerfährt und Österreich damit – und das halte ich für ganz wesentlich – einen Akt der Versöhnung mit den Opfern, aber auch mit der eigenen Geschichte setzt.

Das, meine Damen und Herren, ist der wichtige grundsätzliche Aspekt, aber es gibt natürlich auch einen realpolitischen Aspekt: Nicht zuletzt ist dieses Gesetz eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass österreichischen Firmen im In- und Ausland ein hohes Maß an Rechtssicherheit und Rechtsfrieden und ein weitgehender Schutz vor administrativen Schikanen garantiert wird. Das ist wichtig, denn wer will ernsthaft bestreiten, dass auf dem ebenso wichtigen wie sensiblen Gebiet der Entschädigung für nationalsozialistische Zwangsarbeit Geschäft und Moral sehr nahe beieinander liegen.

Angesichts der Klagen und der Sammelklagen sowie der drohenden Boykott-Kulisse, insbesondere in den USA, haben selbstverständlich die österreichischen Unternehmen ein berechtigtes und nachvollziehbares Interesse daran, dass diese komplexen humanitären und schwierigen rechtlichen Fragen und Anliegen möglichst rasch zur Zufriedenheit aller Beteiligten endgültig geklärt werden.

Meine Damen und Herren! Wir begrüßen sehr, dass wichtige Vertreter der österreichischen Wirtschaft sich engagiert an der Aufbringung der Fondsmittel beteiligen werden. Ich möchte hier aber vor allem jenen Unternehmen danken, die sich, obwohl sie erst in den letzten Jahrzehnten – also nach dem Zweiten Weltkrieg – gegründet wurden und nie in das nationalsozialistische Unrechtssystem verstrickt waren, trotzdem mit erheblichen Beträgen an der Aufbringung der Fondsmittel beteiligen werden. Aber für jene Firmen, die im "Dritten Reich" Zwangsarbeiter beschäftigt haben, sollte es keinen vernünftigen Grund geben, sich nicht mit einem entsprechend angemessenen Betrag an der Aufbringung des Fondsvermögens zu beteiligen.

Dieser Versöhnungsfonds kann und vor allem darf aber nicht nur ein Projekt des Staates und relativ weniger Unternehmen bleiben, da geht es, glaube ich, um ein gesamtstaatliches Anliegen und um eine gesamtstaatliche Verantwortung. Wir sind uns der Tatsache bewusst, dass die Leiden und die Demütigungen der Opfer des nationalsozialistischen Regimes und die Verbrechen, die gegen sie auf dem Gebiet der heutigen Republik Österreich begangen worden sind, mit Geldleistungen sicherlich nicht gutzumachen sind.

Aber, meine Damen und Herren, es muss uns klar sein: Ohne die unfreiwilligen Zwangsarbeiter hätte die Industrie der damaligen "Ostmark" die Produktion während des Krieges nicht aufrechterhalten können. Sie war noch viel stärker als etwa das so genannte Altreich auf diese Zwangsarbeiter angewiesen. Hitler ließ ja hier, in seiner Heimat "Oberdonau", große Industrieanlagen bauen, für die auf Grund des Krieges keine inländischen Arbeiter vorhanden waren – denken wir an die Hermann Göring-Werke, die heutige VOEST-Alpine, an die Stickstoffwerke, an die Chemie Linz, an die Zellstoff Lenzing, an das Aluminiumwerk in Ranshofen. Und daher muss uns klar sein, dass es hier auch eine moralische Verantwortung gibt, entsprechende finanzielle Leistungen zu erbringen.

Dass aber auch amerikanische Anwaltsgruppen das Instrument der Sammelklagen im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Gewaltpolitik entdeckt und dabei recht erfolgreich moralische Entrüstung mit Geschäftsinteressen vermischt haben, ist ebenfalls unbestritten, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich glaube aber, dass der Holocaust, so schrecklich er war, dies nicht rechtfertigt und dass auch nur der Anschein einer Geschäftemacherei mit den Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in der Rechtsordnung zivilisierter Staaten keinen Platz haben dürfte. Ich glaube, wir können heute hier festhalten, dass auch dank des Einsatzes der Frau Präsidentin Schaumayer der von Österreich eingeschlagene Weg einer Entschädigung für Betroffene und auch die damit


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