Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 34. Sitzung / Seite 48

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verbundene Versöhnung nicht durch unbegründete oder eigennützige Forderungen von Anwälten unterlaufen werden konnte und auch in Zukunft nicht unterlaufen werden kann. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang ist uns oft vorgeworfen worden, wir würden nur augenzwinkernd Vergangenheitsbewältigung betrieben haben, nie Wiedergutmachung geleistet haben, keine Restitution geraubten jüdischen Eigentums durchgeführt haben. Die Realität ist eine andere, und der Herr Bundeskanzler hat darauf hingewiesen.

Nach dem Krieg wurden über 136 000 Verfahren gegen Nazis in Österreich durchgeführt. Es wurde in über 28 000 Fällen Anklage erhoben, es wurden 14 000 Schuldsprüche mit Strafen wie Freiheitsentzug, Berufsverbot und Verlust des Amtes gefällt, es wurden 43 Personen zum Tode verurteilt, es wurden 30 Urteile vollstreckt und rund 100 000 Beamte vom öffentlichen Dienst suspendiert. Auch diese historische Wahrheit muss an diesem Tage gesagt werden dürfen und darf nicht verloren gehen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte abschließend noch eines sagen: Viele Mitbürgerinnen und Mitbürger haben die Verhandlungen über die Entschädigung von Zwangsarbeitern in den vergangenen Wochen mit großem Interesse verfolgt, insbesondere jene, die selbst verschleppt, gequält und unter grausamen Bedingungen in Gefangenschaft waren, die Zwangsarbeit geleistet haben oder die aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Vermutlich entspricht es nicht der viel zitierten political correctness, wenn bei diesem Anlass auch an ihr Schicksal erinnert wird.

Es geht dabei nicht um Aufrechnung, es geht dabei auch nicht darum, den Eindruck zu vermitteln, als hätte es hüben und drüben das gleiche Unrecht gegeben und man daher quitt sei, sodass ein Schlussstrich gezogen werden könnte – nein, meine Damen und Herren, damit würde man dem unvergleichbaren Verbrechen des Holocaust nicht gerecht werden. Diese Forderung wäre geradezu töricht.

Der Holocaust, dieses Verbrechen des Nationalsozialismus, darf sich nicht wiederholen und darf auch nicht vergessen werden, aber es muss erlaubt sein, in dieser Debatte darauf hinzuweisen, dass auch viele Österreicher Opfer von unmenschlicher Vertreibung, von Ausbeutung, von Zwangsarbeit waren und sie ebenfalls ein Recht auf eine humanitäre Geste und auf unseren menschlichen Respekt haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.24

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Öllinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

11.24

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Werter Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Frau Präsidentin Schaumayer! Hohes Haus! Historiker und Historikerinnen mögen beurteilen, welche besonderen Determinanten dafür maßgeblich waren, dass es heute zu diesem Gesetz kommt beziehungsweise dass es erst heute zu diesem Gesetz kommt.

Sie mögen auch beurteilen, ob das ein Akt der Klugheit war und deshalb gerechtfertigt, wie Herr Klubobmann Khol es gesagt hat, oder ob es vielleicht darin begründet ist, dass einige in dieser Republik besondere Anstrengungen unternommen haben, für die sie nicht gewürdigt wurden – ich denke da zum Beispiel an den ehemaligen Nationalratspräsidenten Neisser, der die Frage der Entschädigung polnischer Zwangsarbeiter vor eineinhalb oder zwei Jahren angesprochen hat und dafür nicht nur in seiner Partei, sondern auch in der österreichischen Öffentlichkeit wenig Anerkennung gefunden hat –, oder ob es nicht vielleicht auch so war – so sieht es auch ein Schweizer Journalist –, dass dieses besondere Interesse und die Bereitschaft Österreichs nicht nur damit zu tun hat – das ist die erste Voraussetzung –, dass Deutschland da Vorarbeit geleistet hat, sondern auch damit, dass man nach der Beschäftigung damit und der Auseinandersetzung zwischen der Schweiz und den USA um das Thema "Raubgold" gesehen hat, dass da ganz offen, auch mit Hilfe wirtschaftlichen und politischen Drucks auf ein Land, das sich seiner Vergangenheit immer zu entziehen versucht hat, auch auf Österreich einiges zukommen wird, was auf Österreich auch zukommen musste.


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