Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen mit aller Deutlichkeit: Das Thema Zwangsarbeiter war in dieser Republik nie geliebt. Wenn Sie Frau Abgeordneter Stoisits den Vorwurf machen, dass sie von einer "Republik des Verdrängens" gesprochen hat, dann sage ich Ihnen: Sie hat in vielen Punkten Recht.
Herr Abgeordneter Kukacka trat soeben an dieses Rednerpult und sprach davon, dass nach 1945 die nationalsozialistischen Parteigänger, die nationalsozialistischen Funktionäre vor österreichische Gerichte gestellt wurden. – Ja, das stimmt, Herr Abgeordneter Kukacka, nur, Sie haben vergessen, wie viele Strafverfahren, die durchgeführt wurden, damit geendet haben, dass die Personen, die verurteilt wurden, nach ganz kurzen Haftstrafen – und sie sind teilweise zu sehr langen Haftstrafen verurteilt worden –, nach sehr kurzer Zeit wieder aus dem Gefängnis freigekommen sind.
Da geht es nicht darum, dass man unbedingt lange im Gefängnis sitzen muss, um sozusagen seine Sühne, seine Buße abzuleisten, sondern um Folgendes – und das sage Ihnen auch aus Kenntnis der Jahre nach 1945 –: Diese Republik hat es sich in der Auseinandersetzung mit dieser Frage oftmals sehr einfach gemacht. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Schieder. )
Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, wie viele von Ihnen in die Lage versetzt wurden, sich beispielsweise über die Situation der zwangssterilisierten Personen in Österreich und jener Personen, die durch Euthanasie-Programme, durch Kinder-Euthanasie, in österreichischen Anstalten "zu Tode gemordet" wurden – was ich mindestens genauso schlimm finde –, informiert zu haben, und ich weiß nicht, ob auch Ihnen – ich würde es für mich als Glück bezeichnen – die Möglichkeit widerfahren ist, dass Sie mit einem der Hinterbliebenen dieser Menschen gesprochen haben.
Ich hatte das Glück, mit einem Hinterbliebenen zu sprechen, dessen Vater in einer österreichischen Anstalt euthanasiert wurde und der sein ganzes Leben lang versucht hat, in dieser Zweiten Republik auf das Schicksal seines Vater draufzukommen, draufzukommen, welchen Todesweg durch österreichische Krankenanstalten sein Vater gehen musste, der in all diesen Anstalten, quer durch die Republik, auf eine Mauer des Schweigens gestoßen ist und dem gesagt wurde: Dein Vater war nicht hier, wir kennen ihn nicht, es gibt keine Listen! Erst nach Jahrzehnten inständigen, drängenden Verhaltens ist es diesem Mann gelungen, doch herauszubekommen, dass es solche Listen gibt, dass es in all diesen Anstalten noch Dokumente darüber gibt, die aber niemand herausrücken will.
Ich habe das für mich als ein Glück und auch sehr beeindruckend gefunden. Nicht jeder hat das Glück, sich mit diesem Teil der Geschichte zu konfrontieren, konfrontieren zu müssen.
Herr Abgeordneter Kukacka! Aus diesem Grund gibt es den Akt der Versöhnung mit der eigenen Geschichte, den Sie da sehen, nicht. Es kann diese Versöhnung mit der eigenen Geschichte, mit der Geschichte unserer Väter, mit der Geschichte dieses Landes nie geben. Es muss eine Auseinandersetzung geben. Es muss auch die Suche nach einer Wahrheit geben, die wir wahrscheinlich endgültig niemals finden werden.
Meine Damen und Herren! Es sind jedoch auch noch andere Argumente gebracht worden und auf eines – das richte ich an Sie, Herr Bundeskanzler – möchte ich eingehen.
Sie haben gesagt, einer der wichtigsten Gründe für dieses Gesetz und warum wir froh sein können, dass wir dieses Versöhnungsfonds-Gesetz haben, ist die Rechtssicherheit. – Da möchte ich an Sie, gerade weil Sie diese Thematik durchaus offen gelassen haben, appellieren, weil ich weiß, dass Sie wissen, dass auch ich weiß, dass wir hier im Jahre 1995 nicht nur eine Debatte und Auseinandersetzung um das Nationalfonds-Gesetz, sondern auch um das Opferfürsorgegesetz hatten. Davon sind im Unterschied zum Nationalfonds-Gesetz nach wie vor Opfergruppen ausgenommen, denen man diese Rechtssicherheit von Seiten des Parlaments und dieser Republik nicht geben wollte. Das sind die Zwangssterilisierten, das sind jene Personen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgt wurden, und das sind die so genannten Asozialen.