Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 34. Sitzung / Seite 50

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Zu den so genannten Asozialen zählte beispielsweise ein Teil der Opfer vom "Spiegelgrund". Das muss man klar sagen. Das waren Jugendliche, die aus "Erziehungsanstalten" des NS-Regimes im Alter von sieben Jahren abgehauen sind und als "asoziale" Jugendliche am "Spiegelgrund", an der Mordanstalt "Spiegelgrund" gequält wurden. Als "asozial" hat unter dem NS-Regime jemand gegolten, der einen einfachen – nicht einen politischen – Witz über eine der Figuren des NS-Regimes erzählt hat. Das hat den Status der "Asozialität" begründet.

Für diese Personen haben das Opferfürsorgegesetz beziehungsweise dieses Haus keine Rechtssicherheit geschaffen. Da wurde uns augenzwinkernd erklärt: Wenn diese Personen sich irgendwie verfolgt gefühlt haben sollten, dann können sie es ohnehin probieren. Sie können es probieren und wir werden versuchen, das wohlwollend zu behandeln. – Die Republik hat sich aber nie dazu bekannt, dass Zwangssterilisierte, von denen nur noch wenige am Leben sind, Personen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung von den Nationalsozialisten verfolgt wurden, und "Asoziale" als Opfer des NS-Regimes anerkannt wurden.

Darum bin ich sehr dankbar für den Brief, den Herr Präsident Fischer an die Klubobleute aller Parteien geschrieben hat, in dem er auch darauf hingewiesen hat, dass Ihnen, meine Damen und Herren, ein entsprechender Antrag vorliegt, von dem ich glaube, dass wir ihn sehr ernsthaft und seriös im Herbst behandeln sollten. Es gibt ja eine erste Lesung dazu, in der zwar nicht ein Kapitel zugeschlagen werden kann, aber mit dem diesen Menschen zumindest Rechtssicherheit gegeben werden kann, von der Sie im Zusammenhang damit, wenn es um internationale Verträge, wenn es um den internationalen Handel, wenn es um die Wirtschaft geht, schon gerne sprechen.

Ich hingegen spreche von den Menschen im eigenen Land. Diese haben diese Rechtssicherheit noch mehr verdient, und vor allem haben sie – und nicht nur sie, sondern alle Opfer – eines verdient: Niemals vergessen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

11.34

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Posch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

11.34

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Herr Präsident Fischer hat im Verfassungsausschuss richtigerweise gesagt, dass in den neunziger Jahren einiges unter dem Titel "Vergangenheitsbewältigung" in Bewegung geraten ist, in Gang gebracht wurde. Das hat mit der Rede Vranitzkys hier im Nationalrat im Jahre 1991 begonnen und dem Eingeständnis, dass Österreich nicht nur Opfer, sondern vor allem Täter war und dass es eine Mitverantwortung Österreichs an den Verbrechen des Nationalsozialismus gibt.

Dann gab es die Rede Klestils im Jahre 1994 in Jerusalem. Weiters gab es die Debatte um die Entschädigung der Opfer des Nationalsozialismus, wobei ich daran erinnern möchte, dass Paul Grosz, der damalige Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, gesagt hat, wichtiger als das Geld sei eine symbolische Geste der österreichischen Regierung des Eingeständnisses des Unrechts, das in der nationalsozialistischen Zeit geschehen ist. Es gehe um die kathartische Selbstreinigung Österreichs, so hat er das damals formuliert.

Auch in der Folge ist noch vieles geschehen. Ich erinnere nur an den "Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus", an die Veranstaltungen hier im Parlament, an die Einsetzung des Nationalfonds der Republik Österreich für die Opfer des Nationalsozialismus im Jahre 1995, an die Einsetzung der Historikerkommission im Jahre 1998, an die Restitution und nun: das Versöhnungsfonds-Gesetz zur Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter.

Dieses Versöhnungsfonds-Gesetz wird voraussichtlich einstimmig verabschiedet werden. Das ist wichtig und positiv. Es ist mit 6 Milliarden Schilling dotiert. Das ist ein hoher Betrag, wobei dessen Aufbringung noch offen ist und damit auch das In-Kraft-Treten dieses Gesetzes. Ungeklärt ist auch, ob damit der Rechtsfriede gesichert ist oder ob nicht doch noch Ansprüche geltend gemacht werden können.


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