Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 34. Sitzung / Seite 51

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Die Aufbringung des Geldes wird sehr schwierig werden. In Deutschland hat man sich auf einen Schlüssel von 50 :  50 geeinigt, also 50 Prozent von der öffentlichen Hand, 50 Prozent von der Wirtschaft; das sind insgesamt 10 Milliarden D-Mark zu je 50 Prozent, die aufzubringen sind. Bisher konnten erst 2,4 Milliarden D-Mark garantiert werden, zumal noch etliche Unternehmen äußerst zurückhaltend sind.

Ich vermute, dass das auch in Österreich schwierig sein wird, weil die Relationen ähnlich sind, und dass das in Österreich besonders schmerzhaft sein wird, weil davon etliche Privatisierungskandidaten sowie die ÖIAG betroffen sind und allfällige Sammelklagen die Privatisierung in Frage stellen könnten.

So viel zur technischen Seite der Vergangenheitsbewältigung. Was schwerer wiegt, ist, dass das Erbe der nationalsozialistischen Vergangenheit vorwiegend zu einer moralischen Frage geworden ist und nicht zu einer Frage kritischer Selbstreflexion. Herr Abgeordneter Khol hat mit maßvollem Pathos das Leid der damaligen Opfer geschildert. Ich respektiere das, ich halte das auch für wichtig. Wenn Sie aber mit jungen Leuten diskutieren, dann werden Sie draufkommen, dass die sagen – das klingt ja auch immer in den Debatten durch –: Das war das Leid von gestern. Was habe ich damit zu tun?

Der Titel dieses Gesetzes verweist auf diese moralische Dimension. Wer wird mit wem versöhnt? Was ist der Gegenstand der Versöhnung? Versöhnt sich die Republik mit den Opfern, oder versöhnt sie sich mit der eigenen Vergangenheit? – Moral statt Reflexion macht keinen Sinn. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung am 9. Februar 2000 etwas gesagt, dem ich voll inhaltlich zustimme – ich zitiere –:

"Wenn wir über die Zukunft der Jugend reden, dann müssen wir ihr auch etwas ganz Wesentliches mit auf den Weg geben: das Wissen um die Geschichte dieses Landes. Österreichs NS-Vergangenheit erfordert eine besonders wache und kritische Auseinandersetzung und die notwendige Sensibilität für die Strukturen und Mechanismen des nationalsozialistischen Unrechtssystems. Dieses Wissen und die Sensibilität müssen wir den künftigen Generationen als Mahnung für die Zukunft weitergeben. Einige wichtige Schritte wurden gerade in den letzten Jahren bereits gesetzt."

Das stimmt. Das ist der technische Teil der Vergangenheitsbewältigung. Mein Vorredner, Kollege Öllinger, hat die Situation am "Spiegelgrund" und der "Asozialen" geschildert, die ebenfalls Teil dieses Gesetzes sind.

Ich zitiere Ihnen jetzt aus dem Glossar über "NS-Deutsch – ,selbstverständliche‘ Begriffe und Schlagwörter aus der Zeit des Nationalsozialismus", was Nationalsozialisten unter "asozial" verstanden haben:

"Asozial" heißt "gemeinschaftsfremd". Jegliches Verhalten, das der Gemeinschaft gegenüber gleichgültig war, galt als Entartung des natürlichen Gemeinschaftsgeistes und war nach NS-Ideologie meist auf erbliche Belastung zurückzuführen. "Asoziale" waren demgemäß Feinde der Volksgemeinschaft, ein Begriff, der willkürlich auf einzelne Menschen und Gruppen angewandt wurde, die ins KZ gebracht wurden, die dann im KZ mit dem schwarzen Winkel gekennzeichnet wurden. – Ich betone: willkürlich! Die Definition des "Asozialen" war nicht eine gegebene Definition, sondern sie konnte nach Belieben verwendet werden. – So weit, so gut.

Jetzt komme ich zur geistigen und nicht zur technischen Aufarbeitung des Problems. Herr Abgeordneter Prinzhorn hat in einem Interview am 23. Juni 2000 unter anderem Folgendes gesagt – es ging dabei um das Pensionssystem; ich werde Ihnen erläutern, was ich damit meine –:

"Es geht um eine Angleichung von Systemen, die längst überfällig ist. Das ist letzten Endes nichts anderes als das Beenden einer Zwei-Klassen-Gesellschaft, die im höchsten Maße asozial ist." – Zitatende.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite