Auch der dänische Außenminister etwa sagt in derselben Ausgabe: Ich persönlich glaube nicht, dass wir nochmals so eine Reaktion wie jene gegen Österreich sehen.
Auch der luxemburgische Ministerpräsident wurde zitiert. Er sagte: Ich zweifle, ob wir wirklich alles richtig gemacht haben in dieser Frage.
Ich meine daher, die Stunde der Einsicht tut uns allen gut, auch uns in Österreich. Auch wir brauchen nicht in ein Triumphgeheul auszubrechen, denn ein solches ist weder notwendig noch – meiner Meinung nach – angebracht. Aber die Erleichterung, die wir empfinden, sollten wir als Antriebskraft nützen, um uns jetzt auf die wesentlichen Aufgaben in Europa zu konzentrieren. Was könnte das sein?
Erstens: Österreich muss seinen Platz im Herzen Europas einnehmen und verteidigen. Meine Damen und Herren! Wir werden österreichische Interessen nicht opfern, niemandem opfern, wenn er glaubt, uns aus Berlin, Paris, Brüssel oder von sonst wo zurufen zu müssen, was zu geschehen hat. Österreichische Interessen sind wichtiger als so manches andere, das uns in den letzten Wochen zugerufen wurde. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Das gilt für die Rechte betreffend das österreichische Wasser, das gilt aber auch für die Sicherheit von Kernkraftwerken – sehr interessant ist in diesem Zusammenhang eine Aussage von Romano Prodi, nämlich: Wenn die Beitrittskandidaten beitreten, gelten auch für ihre Atomkraftwerke europäische Regeln!; eine Aussage, die man sich merken sollte –, und das gilt auch für die österreichische Vertretung in allen europäischen Institutionen.
Zweitens: Europa braucht eine neue Verfassung, eine klare Aufgabenverteilung. Es geht darum: Was soll auf europäischer Ebene, was soll nationalstaatlich, was soll regional gelöst werden? – Dieser Punkt muss unmittelbar nach der Regierungskonferenz in Angriff genommen werden.
Drittens: Es ist klar, dass an einer Wegkreuzung – und vor einer solchen stehen wir – Angst und Unsicherheit herrschen: die Angst der Kleineren vor den Größeren, die Angst der Schnellen vor den Bremsern und umgekehrt, die Angst der Alten, der etablierten Alt-Mitglieder, vor der Erweiterung, vor den Neuen, die Angst der Reichen vor denen, die ihnen irgendetwas wegnehmen könnten. Wofür ich sehr plädiere ist, dass man, wenn jemand Kritik an Entwicklungen äußert, behutsam damit umgeht, denn das ist noch lange nicht antieuropäisch. Das ist eine wichtige Lehre, die zu ziehen ist, wofür ich sehr plädiere. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Man sollte auch mit Worten wie "Kern" oder "Avantgarde" sehr behutsam umgehen. Ich zitiere jetzt jemanden, der sich in den letzten Wochen und Monaten bemerkenswert zurückgehalten hat – auch das sei bedankt –, nämlich den französischen Außenminister Hubert Védrine, der in einem Artikel der "Financial Times" wörtlich erklärt:
Seien wir vorsichtig mit Konzepten wie "hardcore" – also Kern – oder "Avantgarde", die eigentlich mehr teilen als vereinen. Wir müssen alles auf die Seite schieben, was neue, willkürliche Unterscheidungen zwischen den Mitgliedstaaten schaffen könnte. – Zitatende.
Chris Patten, der sehr beachtliche außenpolitische Kommissar der Union – ein Brite –, warnt vor jedem Versuch, die Union über ein Direktorat der großen Staaten auf Kosten der kleinen oder mittleren zu leiten. Zu leicht könnte dies zu einem Europa der Bevorzugten und der Benachteiligten führen. Und den Beitrittskandidaten dürfe man nicht zu verstehen geben, dass sie in der Küche essen müssen, während die Herrschaften im ersten Stock speisen. – Das ist ein Auftrag für uns.
Auch direkte Demokratie kann ihren Platz in einem solchen Europa haben. Wir haben dies mit dem Versuch einer Volksbefragung ernst gemeint, und wir lassen uns diesen Versuch nicht schlecht machen – und er hat auch gewirkt. Nicht in jedem Fall wird er richtig und notwendig sein, aber ausschließen darf man ihn nicht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)