Meine Damen und Herren! Für die Europäische Union – und da möchte ich unterstreichen, was der Bundeskanzler gesagt hat – ist eine Verfassung notwendig – eine Verfassung, die eine klare Aufgabenteilung zwischen dem, was Brüssel tun darf, und dem, was die Länder tun können, was die Gemeinden tun können und was die Regionen tun können, herstellt. Grundwerte sind nötig, denn es gibt derzeit keine Grundwerte in geschriebener Form, und starke Organe sind nötig, die auch am Beginn von Krisen stark sind, und nicht erst am Ende auf den "band wagon" springen, wenn sie wissen, in welche Richtung es geht. Ich hätte mir gewünscht, dass die Europäische Kommission als Hüterin der Verträge jene Haltung zu Beginn eingenommen hätte, die sie dann am Ende dankenswerterweise eingenommen hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Eine weitere Lehre, die wir aus all dem zu ziehen haben: Niemand wird es so deutlich sagen, aber all jene, die ihre Hoffnungen in einen deutsch-französischen oder französisch-deutschen Antriebsmotor der Europäischen Union gesetzt haben, müssen zur Kenntnis nehmen, dass das von den handelnden Personen abhängt. Ein Schröder ist nun einmal kein Helmut Kohl, und ein Jacques Chirac ist kein François Mitterand. Man muss das heute sagen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Pilz: Ja, der Schröder ist nicht kriminell! – Abg. Haigermoser – in Richtung des Abg. Dr. Pilz –: Wer behauptet das, Pilz?)
Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass es naiv wäre, zu übersehen, dass wir unsere Rechte nicht hätten herstellen können, hätten wir auf die Rechte, die uns der europäische Unionsvertrag einräumt, verzichtet. Nur im Hintergrund stand, dass wir unser Veto zur Verteidigung österreichischer Interessen anwenden, und als klar war, dass diese Anwendung Realität werden würde, ist uns Gerechtigkeit widerfahren. Das müssen wir heute, in dieser Stunde der Wahrheit, zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Daher ist die Einstimmigkeit in wichtigen Fragen unabdingbar. Jeder, der darauf verzichten würde, wäre ein Tor. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Meine Damen und Herren! An dieser Stelle möchte ich mich an Sie, Herr Präsident Fischer, wenden. Sie haben sich – nicht vom hohen Stuhl aus, sondern als Parteivorsitzender-Stellvertreter – gegen die Versuche verwahrt, die Sozialistische Internationale zu dämonisieren. Ich möchte klipp und klar feststellen: Es waren nicht wir, die festgestellt haben, dass bei der Holocaust-Konferenz am Abend des 26. Jänner dieses Jahres, an welcher der damalige Bundeskanzler Klima teilgenommen hat, die Sozialistische Internationale die Sanktionen beschlossen hätte. Das waren nicht wir! Lesen Sie den "Economist", lesen Sie die "Neue Zürcher Zeitung", und lesen Sie, was in der Weltpresse darüber geschrieben wird! Es wird eindeutig festgestellt, dass der Versuch der Sozialistischen Internationale, eine Regierung, die vom Volk durch Wahl legitimiert wurde, mittels "europäischer Werte" – unter Anführungszeichen – zu stürzen, gescheitert ist. – Gott sei Dank! Ich hoffe, das ist ein für alle Mal vorbei. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gusenbauer: Hat Ihnen das Chirac am Telefon gesagt?)
Meine Damen und Herren! Es gilt auch für Österreich, Konsequenzen zu ziehen. Die Politik des aufrechten Ganges lohnt sich. Politische Rechte verleihen Stärke nur dann, wenn man sie wahrnimmt, und Signale der Schwäche fordern geradezu die spätere Demütigung heraus.
Noch eines: Wer Österreich im Ausland schlecht macht, verliert in Österreich, aber auch international an Respekt, denn es gilt das alte römische Wort: Man liebt zwar den Verrat, aber nicht den Verräter. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Meine Damen und Herren! Die Außenministerin hat in der "Pressestunde" am Sonntag angekündigt, dass sie für die Zukunft eine Art Europadialog parteiübergreifend einrichten möchte, im Zuge dessen wir einen Neubeginn in dieser Situation starten können. Wir sind dazu bereit, dies parteiübergreifend zu diskutieren, aber davor wäre es gut, reinen Tisch zu machen.
Herr Gusenbauer – Sie sind der neue Chef der Sozialdemokratie –, ich habe heute in Ihrer Rede jede Nachdenklichkeit vermisst, und ich habe die Antworten auf jene Fragen vermisst, die Ihnen die Öffentlichkeit und wir immer wieder gestellt haben. (Abg. Gradwohl: Das ist Ihr selektives