Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 39. Sitzung / Seite 60

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Arme tatsächlich belastet, das ist bei Ihnen soziale Treffsicherheit. Das, was die Leute nicht mehr ertragen können, nicht mehr aushalten können, das läuft bei Ihnen unter dem Titel "Wir schaffen das Nulldefizit". Das, was den Leuten die Bildung nimmt, Nullbildung, läuft bei Ihnen unter dem Titel "Wir schaffen die Staatssanierung".

Das ist nicht unser Programm, meine Damen und Herren, und auch nicht das vieler Österreicherinnen und Österreicher. (Beifall bei den Grünen.) Sie werden es auch mit diesem Wendeplan (der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe), meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, der viel Geld kostet, mit einer Marketing-Kampagne nicht schaffen, auch wenn Sie Millionen dafür aufwenden, den Leuten einzureden, dass das sozial verträglich und sozial gerecht ist.

Das Gegenteil ist der Fall. Sie kürzen die Unfallrenten um ein Drittel. Ja wissen Sie, was es heißt, wenn einer, dem wegen eines Arbeitsunfalls ein Arm fehlt und der dafür 3 000, 4 000 oder 5 000 S erhält, jetzt um ein Drittel weniger erhält? (Zwischenruf des Abg. Gaugg. ) Wissen Sie, was das heißt, Herr Kollege Gaugg? – Das ist Abgeltung für erlittenes Unrecht, für erlittene Unbill. Und das heißt jetzt: um ein Drittel weniger. Die Betroffenen werden bestraft.

Wissen Sie, was das Beispiel, das mein Vorredner, Kollege Nürnberger, gebracht hat, bedeutet, das ja noch viel brutaler in der Aussendung des Wirtschafts- und Arbeitsministeriums enthalten ist? Es wird als Beispiel für Überversorgung die Teilzeitbeschäftigte mit drei Kindern und einem Bruttobezug von 6 000 S genannt, die netto 4 941 S verdient hat! Das Arbeitslosengeld lag hier mit 5 352 S – das ist ein Originalzitat aus einer Aussendung des Wirtschaftsministeriums – um mehr als 400 S höher als der letzte Aktivbezug. Künftig erhält diese Frau nur mehr 80 Prozent des aktiven Netto-Letztbezugs, also 3 952 S. – Das sind monatlich um fast 1 400 S weniger als vorher.

Herr Abgeordneter Khol, glauben Sie wirklich, dass es berechtigt ist, dieser Frau diese 1 400 S wegzunehmen? Woher soll sie das Geld für ihr Leben nehmen, wenn sie eine allein erziehende Mutter ist? (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Glauben Sie wirklich, um beim nächsten Beispiel zu landen, dass es sozial ist, wenn Sie Personen die Mitversicherung streichen und sie damit zumindest teilweise aus der Krankenversicherung, aus dem Leistungsrecht der Krankenversicherung hinaus drängen? Glauben Sie wirklich, dass man einer Frau, die verheiratet ist, die arbeitslos geworden und auf Notstandshilfe angewiesen ist, aber beispielsweise drei Kinder zu versorgen hat, auch noch einen Beitrag für die Krankenversicherung zumuten kann? Glauben Sie das wirklich? Glauben Sie allen Ernstes, dass das Maßnahmen sind, die diejenigen, die unter 30 000 S liegen, nicht belasten, Herr Finanzminister? Haben Sie eine Vorstellung davon, was es heißt, mit 5 000, 10 000 oder meinetwegen 12 000 oder 13 000 S auskommen zu müssen? Haben Sie wirklich eine Vorstellung davon, wie es ist, wenn man dann von diesem Geld auch nur 5 Prozent wegnimmt, wo ein Prozent schon zu viel ist?

Diese Menschen können es sich nicht leisten, und daher ist das, was Sie in allen diesen Bereichen tun – ob das die Mitversicherung, die Unfallrenten, die Arbeitslosenversicherung betrifft –, eine Grausamkeit nach der anderen, für die Sie Verantwortung tragen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Glauben Sie wirklich, Sie können einen Dialog mit der Opposition führen, den Sie offensichtlich gar nicht anstreben? Sonst hätten Sie ja eine breite Debatte eröffnet, aber nicht eine Dringliche Anfrage von Du auf Du zwischen Khol und Grasser gestellt, wo die Opposition doch weitgehend eliminiert ist. Es geht Ihnen doch gar nicht um den Dialog, sonst wären Ihre Leute ja hier und würden sich an der Diskussion beteiligen. Schauen Sie doch einmal in Ihre Reihen! Wo sind denn die Leute, die mit der Opposition diskutieren wollen? (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Wo findet die Debatte statt? Sie haben ein propagandistisches Versatzstück nach dem anderen hier serviert und glauben, das sei ein Dialog. Den Dialog hier im Hohen Haus, den Dialog mit der Bevölkerung – wo führen Sie ihn denn?


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