weiterzugehen, denn das ist die einzige Chance, dass wir diese Unternehmen, diese wichtigen Leitunternehmen in Österreich, auf den Markt vorbereiten, damit sie bürgernah und kundenorientiert arbeiten, denn das ist der einzige Weg, der dabei gangbar ist. Alles andere, was Sie hier sagen, ist wirklich politische Profilierung oder politische Polemik, die natürlich zulässig ist, aber nicht den Tatsachen entspricht. Daher: Nennen wir die Dinge beim Namen, wie sie tatsächlich waren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gusenbauer: Privatisierungsdesaster!) – Das war jetzt ein so leiser Zwischenruf, dass ich ihn nicht verstanden habe.
Natürlich haben Sie Recht, dass es keine ökonomische Theorie gibt, die uns zwingt, im Jahre 2002 ein Nulldefizit zu haben. Aber ich sage Ihnen auch ganz offen, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist. Ich habe zu viele Versuche, vergebliche oder halbherzige Versuche, erlebt, das Budgetdefizit ein bisschen zu reduzieren. Das Ergebnis war dann immer, dass Schulden außerbudgetär irgendwohin verlagert, irgendwo geparkt wurden. Vor allem aber zeigen die Erfahrungen der jüngsten österreichischen Geschichte, dass immer mächtige Lobbys gekommen sind und jeden gut gemeinten Ansatz durch enormen Gegenwind zu Fall gebracht haben. Und das darf nicht passieren. Daher haben wir uns getraut – wie die meisten anderen europäischen Länder, die ja heute schon Überschüsse aufweisen –, uns jetzt ein ehrgeiziges Ziel zu setzen, nämlich: Zukunft ohne Schulden, und haben mit diesem Ziel auch den Mut, für die notwendigen Maßnahmen einzutreten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Meine Damen und Herren! Ich greife das jetzt auf, weil Professor Van der Bellen gesagt hat, im Wesentlichen habe ihm alles an der Rede von Andreas Khol gefallen außer den letzten 5 Minuten. Ich sage Ihnen, gerade die letzten 5 Minuten sind wichtig, es ist wichtig, dass wir uns das in Erinnerung rufen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Posch: Unglaubliche Belanglosigkeit!)
Ich möchte präzise sagen, wofür ich stehe und was ich meine: Ich habe in dieser Bundesregierung, die Frau Vizekanzler und der Finanzminister, die Außenministerin, wir haben wie keine andere Regierung vor uns die Verpflichtungen, die moralischen Verpflichtungen gemeinsam mit dem Hohen Haus offensiv und positiv angenommen und aufgenommen. Wir stehen dazu, denn ein 6-Milliarden-Schilling-Zwangsarbeiterfonds in Zeiten äußerster Anspannung der öffentlichen Finanzen, auch der privaten Finanzen, ist nicht so selbstverständlich. Das 150-Millionen-Dollar-Programm, das wir jetzt in den Restitutionsverhandlungen anbieten, ist ja auch nicht durch eine gesetzliche oder legalistische Verantwortung verursacht. Es ist eine moralische Verpflichtung, die wir sehen und die wir tragen. – So, das sind die Taten, an denen wir und hoffentlich ganz Österreich gemessen werden. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Posch. – Ruf bei den Freiheitlichen – in Richtung SPÖ –: Keine Zwischenrufe vom falschen Platz!)
Herr Abgeordneter Posch! Aber zu diesem Wissen und auch zum Ge-Wissen um die österreichische Geschichte zählt, dass wir nicht im Nachhinein das langsame Sterben Österreichs von 1934 bis 1938 vergessen dürfen. Ich habe in den letzten Tagen mit großer Erschütterung noch einmal Guido Zernattos Chronologie des Unheils gelesen, "Drei Tage, an denen Österreich starb", publiziert in einem Buch, das Thomas Chorherr, glaube ich, vor zehn Jahren herausgegeben hat. Darin sind die Telefonprotokolle der Tage 11. März 1938, 12. März 1938 genau nachzulesen. Versuchen Sie mit mir den Gedankengang nachzuvollziehen, dass man nicht vergessen darf, was geschehen ist.
An diesem 11. März 1938 hat es ungefähr 30 Telefonate gegeben, die – wahnsinniges Regime! – alle genauestens dokumentiert und aufgezeichnet wurden. Sie sind für Zeitgeschichtler und für Interessierte jederzeit nachlesbar.
Um 17.26 Uhr ruft Hermann Göring Seyß-Inquart, sozusagen seinen nationalen Minister in der damaligen Schuschnigg-Regierung, an und fragt ihn: Also wie ist das jetzt mit dem Ultimatum, das wir gestellt haben? – Schuschnigg muss zurücktreten, und Seyß-Inquart muss vom österreichischen Bundespräsidenten Miklas mit der Führung der Regierungsgeschäfte beauftragt werden. Die Volksabstimmung, die Nazi-Deutschland gefürchtet hat, muss abgesagt werden.