Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 47. Sitzung / Seite 58

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12.41

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren! Als sich Bundeskanzler Schüssel zu Wort meldete, dachte ich mir: Hoffentlich sagt er etwas über seine Aussagen über Österreich als Naziopfer. Er hat es ge tan, aber ich glaube, er hat dabei auch eine Chance ver tan: statt eines klärenden politischen Wortes kamen erklärende geschichtliche Darstellungen, und selbst diese waren in der Fokussierung fragwürdig.

Man kann sich in der Frage des Einmarsches und seiner Vorgeschichte nicht auf die letzten 48 Stunden beschränken. Was ist mit dem Nachgeben gegenüber den deutschen Forderungen auf Regierungsumbildung? Was ist mit dem Berchtesgadener Abkommen? Was ist mit den Jahren 1933 und 1934, die dazugehören, und der Beseitigung der Demokratie in Österreich?

Dass Sie, Herr Bundeskanzler, am Jahrestag der Reichspogromnacht in einem Interview mit einer israelischen Zeitung über Österreich als Naziopfer sprechen, muss bei den Opfern und Hinterbliebenen – und nicht nur bei diesen –, auch wenn es nicht Ihre Absicht war – und ich glaube das –, den Eindruck des Beschönigens und des Verschweigens der Täterrolle erwecken. Diese Aussage war ein schwerer politischer Fehler, was auch immer Sie nun historisch, staatsrechtlich dazu ausführen mögen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Die aktuelle Problematik – Herbert Langsner hat sie im "FORMAT" auf den Punkt gebracht –:

"Wer sich in der westlichen Welt als ideologischer Prellbock gegen Haider und seine Sager verkaufen will, muß mit diesem Thema feinfühliger umgehen. Doch jetzt wird dem Argument, der jeglicher NS-Sympathie unverdächtige Schüssel würde das einschlägige Gedankengut der FPÖ aus der Europäischen Union heraushalten, nicht mehr vertraut. Wenn der Kanzler seine Aussage nicht bewußt so plaziert hat – und dies sei hier ausdrücklich nicht unterstellt –, dann ist er gewaltig ins Fettnäpfchen getreten. Der Schaden ist angerichtet."

Herr Bundeskanzler! Ihre heutigen Worte waren keine klärenden Worte. Im Interesse unseres Landes bitte ich Sie: Finden Sie ein deutliches klärendes Wort zu Ihrer Äußerung. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Zurück zum Budget: Zum Kapitel Oberste Organe gehören auch die Aufwendungen für das Parlament. Bisher sind diese einvernehmlich festgelegt worden – heuer zum ersten Mal nicht, genauer gesagt: Sie sind auch diesmal einvernehmlich festgelegt worden, aber von der Regierungskoalition mit einem Abänderungsantrag geändert worden. Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, Sie rechnen – wahrscheinlich zu Recht – damit, dass sich das öffentliche Mitleid bei Kürzungen für den Bereich des Parlaments in Grenzen halten wird, und argumentieren auf der Populärwelle: Überall wird gespart, also auch beim Parlament!

Und tatsächlich: Angesichts der finanziellen Einschränkungen, der sozialen Benachteiligungen und der Ungerechtigkeiten, die vor allem die ärmeren Menschen in unserem Land durch diese Regierungskoalition hinnehmen müssen, verblassen natürlich alle Einschränkungen bei Organen unseres Staates. So ist es nicht so sehr die Tatsache dieser Einschränkungen beim Parlament selbst, sondern die Methode, die Verhältnismäßigkeit, die Schwerpunktsetzung und die Begleitmusik, die es notwendig machen, die demokratiepolitische Facette dieser so genannten Fiskalmaßnahme zu diskutieren.

Erstens: Sie vergleichen in Ihrer Argumentation – Sie haben es im Ausschuss getan – das Parlamentsbudget mit dem Gesamtbudget. – Aber: Das Parlament als Ort der Gesetzgebung und Zugang aller gewählten Parteien – und daher auch der Opposition – zur Politik ist nicht mit der Gesamtverwaltung zu vergleichen. Der angebrachte Vergleich wäre der Vergleich mit den Kabinetten, mit den Stellen der Regierungsmitglieder.

Meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ! Vom Parlament verlangen Sie, zu sparen – beim Personal, bei Kosten, bei Ausgaben –, aber im adäquaten politischen Bereich, in den Kabinetten des Bundeskanzlers, der Vizekanzlerin und der Minister, steigen die Ausgaben, dort bekommt man zusätzliches Personal. In den politischen Bereichen des Staates geben Sie mehr aus, dort,


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