Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 47. Sitzung / Seite 128

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Wenn wir gerade in Kärnten – und da kenne ich mich sehr gut aus – heute sagen können, dass es auf Basis der letzten Volkszählung im Zeitraum zwischen 1981 und 1991 de facto zu einer Stagnation der Assimilierung gekommen ist, dass sich also nahezu gleich viele Menschen zu ihrem slowenischen ethnischen Herkommen und ihrer Sprache und ihrer Kultur bekennen, so ist das zweifellos ein bemerkenswerter Umstand, vor allem wenn man sich die Entwicklung in den Perioden davor ansieht, in denen dramatische Rückgänge dieses Bekenntnisses sichtbar wurden.

Meine Damen und Herren! Wenn man weiß, dass sich die slowenische Volksgruppe in Kärnten in vielen Bereichen deutlich positiv von der Mehrheitsbevölkerung abhebt – zum Beispiel sind in dieser Volksgruppe im Verhältnis doppelt so viele Akademiker zu finden, ist die slowenische Volksgruppe in der Einkommenssituation deutlich besser gestellt –, so ist das ein Hinweis darauf, dass vor allem das, was hier im Rahmen der Bildungspolitik geschehen ist, tatsächlich auch funktioniert hat. Dass es eine zweisprachige Ausbildung im Grundschulbereich gibt, dass es eine zweisprachige Handelsakademie in Kärnten gibt, dass es eine zweisprachige Gymnasialausbildung gibt, hat letztlich auch dazu geführt, dass es in diesem Zusammenhang vor allem auch, was die akademische Fortbildung anlangt, solche Fortschritte gegeben hat. Ich kann die Regierung und uns hier im Haus nur ermuntern, das in dieser Richtung fortzusetzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Da Dr. Kräuter die Diskussion auch wieder in die Vergangenheit geführt hat, erlauben Sie mir ein paar ganz persönliche Worte zu diesem Thema. Ich stamme vielleicht aus einem etwas eigenartigen Biotop, das aber wahrscheinlich gar nicht so eigenartig ist, ich halte es eher für ein typisch österreichisches.

Ich stamme aus einer Familie, der auch jener Minister der Regierung Schuschnigg, der heute schon einmal zitiert wurde, nämlich Guido Zernatto, mein Großonkel, entstammt. Jener Teil der Familie ist tief verwurzelt in einer christdemokratischen und christlichsozialen Tradition. Ich stamme aber aus einer Ehe, in der der andere Teil in einer ganz anderen Tradition gestanden ist, nämlich viele zumindest in einer passiv, teilweise sogar durchaus aktiv zustimmenden Haltung zum Nationalsozialismus.

Meine Damen und Herren! Ich bin in eine Familie hineingeboren worden, in der das Gespräch noch sehr häufig und auch über politische Fragen geführt wurde. Wenn ich mir die Diskussion hier im Hause anhöre, dann beschleicht mich oft etwas wie Angst. Natürlich muss man da differenzieren. Natürlich hat das alles auch Gründe und Motive gehabt, und natürlich darf man die Geschichte der Donaumonarchie und die Geschichte der Ersten Republik absolut nicht ausblenden. Man darf zum Beispiel nicht ausblenden, dass diese Erste Republik und ihre politischen Repräsentanten es offensichtlich nicht geschafft haben, jene Sprachlosigkeit zu überwinden, die im Ständestaat und dann letztlich im "Anschluß" geendet hat. Letztlich war es diese Sprachlosigkeit der politisch Verantwortlichen, die dazu geführt hat, dass sie nicht mehr die Fähigkeit entwickeln konnten, Barrieren zu überwinden und ein Gespräch zu führen.

Ich bin auch noch von jener Generation von Politikern nach dem Krieg geprägt, die fast keine Gelegenheit ausgelassen haben – das war nebenbei auch die Aufforderung, die ich in meiner Familie immer mitbekommen habe –: Versuche bitte in deinem Leben immer, auch mit dem Kopf der anderen zu denken! Argumente sind nicht automatisch falsch, nur weil sie vom politischen Mitbewerber kommen. Verlange aber auch Respekt für deine Argumente.

Meine Damen und Herren! Ich glaube an das, was von diesen älteren Kollegen immer betont wurde, an jenen Geist der Lagerstraße, der damals immer beschworen wurde, jener Lagerstraße in den verschiedenen Konzentrationslagern des "Dritten Reiches", wo sich jene Politiker, die die Sprachlosigkeit vor dem Krieg nicht überwinden konnten, dann wieder getroffen haben.

Und das fordere ich eigentlich ein oder das ist eine Bitte von mir – gar nicht so sehr eine Forderung, das steht mir nicht zu –, dass wir in der heutigen politischen Diskussion mit den ungeheuren Problemen und Sorgen, die wir mit der Gestaltung der Zukunft haben, jetzt nicht versuchen, diese Diskussion auf eine – wie ich meine – inadäquate Weise zu einer historischen


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