Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 49. Sitzung / Seite 83

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möchte die Vorkommnisse, die Kollege Schender uns nahe gebracht hat, und die Argumente, die in dieser Diskussion vorgebracht wurden, ganz kurz von meiner Warte aus beleuchten.

Vor nicht allzu langer Zeit hat man in unserem Geschäft die Fenster mit Anti-FPÖ-Parolen verklebt. Ich habe dem keine Bedeutung beigemessen, wir haben das entfernt. Ich habe gemeint: Na ja, das ist halt ein dummer Jungenstreich oder wie immer man das nennt. Aber nach dieser Wortmeldung meines Kollegen Schender komme ich jetzt zu der Überzeugung, dass das ganze System hat, meine Damen und Herren! Ich glaube, dass das ganze System hat, zumal Sie auch vor den Familien der Betroffenen nicht mehr Halt machen, meine Damen und Herren. Das Schändliche an Ihrem Verhalten ist, dass Sie in Hohngelächter ausbrechen, wenn ein junger Mensch, ein junger Abgeordneter sich betroffen fühlt und sich schützend vor sein Heim und vor seine Familie stellt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Kollege Dietachmayr hat blitzschnell ein vorbereitetes Taferl herausgezogen mit der Aufschrift: "Tiefer geht es nicht!" Dazu möchte ich sagen: Das sollten Sie umdrehen, Herr Kollege, nicht uns entgegenhalten, sondern sich selbst den Spiegel vor Ihr Antlitz halten! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dietachmayr: Sie verteidigen!)

Von der Einschränkung der Ausübung des freien Mandates bis zum Mundtot-Machen ist es nur ein kleiner Schritt. Wir haben das in einer leidvollen Geschichte leider Gottes kennen lernen müssen, meine Damen und Herren. (Abg. Sophie Bauer: Sie wollen andere mundtot machen!) Ich rufe Ihnen zu: Wehret den Anfängen, meine Damen und Herren! Wir brauchen kein Blockwartesystem, sondern wir brauchen die freie Meinungsäußerung in dieser Republik! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Reheis: Das ist unglaublich! Das ist schrecklich! – Abg. Sophie Bauer: Sie wollen mundtot machen!)

Was ist denn die Steigerung? – Demonstrieren Sie, wo Sie wollen! Das Demonstrationsrecht ist eines der hehrsten Rechte einer funktionierenden Demokratie, meine Damen und Herren! Aber man muss sich auch die Orte aussuchen. Demonstrieren Sie vor dem Parlament oder vor den Parteizentralen. (Abg. Öllinger: Auf dem Friedhof, mit der Kameradschaft IV!)  – Da sind Sie auch vorhanden, auf den Friedhöfen, und treten auf den Gräbern Verstorbener herum, Herr Kollege. Die Achtung der Verstorbenen ist auch ein hehres Recht einer funktionierenden Gesellschaft, gleich, wo sie, gleich, warum sie das kühle Grab erfahren mussten, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Öllinger: Alte Nazis demonstrieren auf dem Friedhof!)

Was ist denn die Steigerung der Brandmarkung dieses freien Mandates? Wollen Sie die politische maria-theresianische Halsgerichtsordnung wieder einführen (Abg. Dr. Partik-Pablé: Folter!): die Mundbirne, die Schandgeige, den Pranger, meine Damen und Herren?

Ich antworte Ihnen mit Voltaire: "Ich bin mit keinem Ihrer Worte einverstanden, doch ich werde bis ans Ende meiner Tage dafür kämpfen, dass Sie diese aussprechen können." (Abg. Dr. Lichtenberger: Was soll denn das?!)  – Meine Damen und Herren, das ist die Antwort! Kommen Sie mit Argumenten, und wir werden uns auf dem Felde dieser Diskussionsauseinandersetzung finden! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Öllinger: Siehe Haider, Böhmdorfer! Strafverfolgung! – Abg. Brosz: Bei Ihren Zwischenrufen, da kommen Sie noch mit Voltaire! Jämmerlich!)

Zu guter Letzt ein Zitat aus dem Buch Norbert Lesers "... auf halben Wegen und zu halber Tat...". Das gehört zur Kulturdebatte. Oder wollen Sie jetzt auch den Vertrieb von Büchern verhindern? (Abg. Dr. Gusenbauer: Unerträglich!)

Zitat: "Am schärfsten hat Paul Blau, der ehemalige Chefredakteur der ,Arbeiter Zeitung‘, die Entwicklung der Partei", nämlich Ihrer, "zu ihrem Jahrhundertjubiläum charakterisiert: ,Das Erbe verschleudert, die Zukunft verspielt.‘ Von all dem weiß der ,Oberverschleuderer‘ Heinz Fischer nichts oder will es gar nicht wissen und wahrhaben. Er findet, von kleinen Retuschen abgesehen, rundum alles gut, solange er als Spitze der politischen Klasse ein bequemes Leben führen kann. Es scheint ihn nicht zu stören, dass diese Decke der Sozialdemokratie immer dünner und


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