Da also alles so "großartig" und "bahnbrechend" ist, soll sich diese manische Euphorie, so habe ich das Gefühl, jetzt auf uns alle übertragen – und das ist auch kein Dialog, sondern eher ein Monolog.
Man liest und hört immer wieder – und das gefällt mir nicht! –: Es sollte kein Stein mehr auf dem anderen bleiben! (Abg. Rosemarie Bauer: Aber geh!) Na, man hört es in der Bildungspolitik, in der Universitätspolitik; glauben Sie mir das, da können Sie den Kopf schütteln, so lange und so heftig Sie wollen: Kaum ein Stein soll auf dem anderen bleiben. Und wenn Sie meinen, die Republik sei ein Schotterwerk oder die Bundesregierung ein Abbruchunternehmen, würde ich Sie ganz gern auch in dieser Meinung korrigieren.
Was aber jetzt in der Gesundheitspolitik geschieht, hat relativ viele militärische Ausdrücke: Man muss zuerst das "Terrain reinigen" und alles "sturmreif schießen" (Abg. Dr. Brinek: Wer hat das gesagt? – Abg. Steibl: Wer hat das gesagt?) – sturmreif schießen! – durch Klagen über eine so genannte vermutete Unfinanzierbarkeit. Diese ist aber ein Märchen. Sie wissen, dass Österreich, was die Gesundheitskosten betrifft, haarscharf in der Mitte der europäischen Staaten liegt. (Abg. Dr. Rasinger: Unter!) Sie wissen auch ganz genau, dass der öffentliche Anteil an den Gesundheitsausgaben in den letzten 20 Jahren kontinuierlich und prozentual gemessen am Bruttoinlandsprodukt gesunken und der private Anteil kontinuierlich gestiegen ist.
Sie von den Regierungsparteien verschärfen dieses Märchen der Unfinanzierbarkeit auch noch, indem Sie immer wieder behaupten, Selbstbehalte hätten positive Steuerungseffekte – nur konnten Sie diese positiven Effekte nie nachweisen, und Sie haben auch nicht studiert, ob in anderen Ländern, in denen es Selbstbehalte gibt, diese positiven Steuerungseffekte zu bemerken sind. (Abg. Silhavy: Für wen? Das ist die Frage!)
Sie haben vergessen, dass die Politik das, was sie der Bevölkerung versprochen hatte, den Kassen überantwortet hat, und zwar eine zeitgemäße, chancengleiche Versorgung auf dem Niveau der jetzigen, modernen medizinischen Wissenschaft. Sie haben die Kassen dazu verpflichtet, den Leuten dieses Niveau anzubieten und zu garantieren. Wir sind aber teilweise noch meilenweit davon entfernt. Und wenn die Kassen das tun beziehungsweise versuchen, es zu tun, dann werfen Sie ihnen vor, mit ihren Geldern nicht haushalten zu können.
Das heißt, jene Selbstverantwortung, an die Sie immer wieder appellieren, ist nicht nur ein vernunftgeprägter Appell an gesundheitsbewusste Menschen, Bürgerinnen und Bürger, sondern erinnert mich an alttestamentarische Weltbilder von Schuld und Sühne: Wer krank ist, ist schuld! Wer Kopfweh, ein Magengeschwür, Leukämie hat oder auf Krücken geht, wird schon etwas, was seiner Gesundheit nicht gut tut, getan oder etwas versäumt haben.
Ich glaube, dass Sie, Herr Minister Haupt, diese Meinung zumindest nicht so radikal haben. Darüber wird man also reden müssen. Sie haben an und für sich zwar viele Dinge versprochen – Qualitätssicherung, Krankenanstaltenplan, Patientenrechte, Rehabilitation, Geriatrie und so weiter und so fort –, scheitern aber immer wieder an Ihren eigenen Landeshauptleuten, die versuchen, über ihre Finanzreferenten relativ positive bundesgesetzgeberische Maßnahmen im Rahmen von Ausführungsgesetzen nach unten zu nivellieren und zu verwässern. Das heißt, Sie haben eine Klientel, die Sie zu befriedigen versuchen.
Ich zähle auf, was mir da alles gerade untergekommen ist: Hausapotheken – Sie wollen Apothekerinnen und Apothekern verbieten, sich in Gebieten niederzulassen, wo Ärzte eine Zusatzeinnahmequelle durch eine Hausapotheke haben. Man ist so weit gegangen, zu sagen: Wenn eine Hausapotheke existiert und in diesem Ort drei Ärzte ordinieren, könnte sich eine Apotheke niederlassen. – Nein, sie darf es nicht! Das ist interessant für Wirtschaftsparteien, interessant, wenn man ihre Klientel und ihre Lobbies betrachtet, was die Gesundheitspolitik bestimmt.
Mein Wunsch wäre also, doch den Dialog zu pflegen, denn Monologe, die Sie häufig in der Diskussion führen, können, wenn sie sich verselbständigen, zum Symptom werden, genauso wie Verschwörungstheorien auch zu Wahnideen mutieren können – und so gesundheitspolitisch würde ich mit Ihnen nicht gerne diskutieren! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)
18.15