Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 55. Sitzung / Seite 97

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Das Problem bei Gipfeln, so wie in Nizza, ist eigentlich für die Regierungen aller Länder dasselbe: Man macht sich vorher stark; dort muss man dann schauen, was man durchbringt; und wenn man heimkommt, dann muss man das Wenige, das man erreicht hat, aus innenpolitischen Gründen und zur eigenen Imagepflege als großen Sieg verkaufen.

Ich glaube, dass aus diesem Grund die Überlegung, die auch Dr. Gusenbauer heute hier angestellt hat, nämlich dass man über den Kreis der Regierungschefs hinausgehend einen Konventcharakter in Erwägung ziehen und versuchen sollte, verschiedene Kräfte eines Landes mit einzubinden und auch eine größere demokratische Basis für Entscheidungen und für die Vorbereitung von Entscheidungen zu finden, eine richtige ist. Das wäre gut für die Europäische Union, und das könnte auch wieder ein Stück einer neuen Außen- und Sicherheitspolitik, einer neuen internationalen Politik sein: Außenpolitik und internationale Politik nicht, so wie in der Vergangenheit, bloß von einer Regierung und von einem Außenamt aus, also nicht bloß im diplomatischen Bereich, zu betreiben, sondern auch die parlamentarische Dimension stärker einzubinden und auch die Gesellschaft selbst, die NGOs und deren Einrichtungen stärker mit einzubeziehen. Das würde der EU gut tun, und ich glaube, es wäre auch von Vorteil für die einzelnen Länder, wenn sie auf diese Weise den Schritt zu einer neuen Form der Außenpolitik, der internationalen Politik, vor allem auch in der EU, tun würden.

Das zeigt sich ja auch an den einzelnen Fragen: Wenn es darum geht, das Parlament zu stärken, zum Beispiel auf Kosten der Regierungen, dann tut sich natürlich ein Regierungsvertreter oder ein Regierungschef im Kreis seiner Kollegen schwer, sich dort wirklich für das Parlament "reinzuhauen" und auf eigene Rechte zu verzichten. In diesem Kreis, in dieser Atmosphäre gilt der, der dem Parlament wenig zubilligt, mehr als der, der sagt: Ich will meine Kompetenzen einschränken und bin daran interessiert, dass das Parlament mehr Rechte bekommt. – Umso mehr wäre es richtig, hier eine neue Form zu finden.

Das hat mir auch im Bericht ein bisschen gefehlt, dass die Frage der Stärkung der Parlamente im Detail besser angesprochen wird. Ich bin froh, dass die Frau Außenministerin dann die verstärkte Zusammenarbeit – ein wesentliches Ergebnis von Nizza – erwähnt hat. Ausführungen dazu habe ich beim Bundeskanzler und bei der Frau Vizekanzlerin vermisst. Es wäre interessant zu hören: Was hat Österreich hier vor? Gibt es Vorgespräche? Wie gedenkt man das neue Instrument der verstärkten Zusammenarbeit für unser Land zu nutzen? Was gibt es diesbezüglich an Überlegungen?

Auch zur Grundrechtscharta wurde einiges gesagt, aber ich erinnere mich noch genau an die Hauptausschusssitzung: Wir haben davor gewarnt, dass hierbei eine Doppelgleisigkeit mit der Menschenrechtskonvention entsteht oder sogar ein Standard gefunden wird, der unter dem der Menschenrechtskonvention liegt. Auch hier haben wir heute nicht erfahren: Was ist geschehen, was kann geschehen, wie wird man hier für die Zukunft Schritte setzen, um eine falsche, schlechte Doppelgleisigkeit zu vermeiden?

Mir fehlen auch mehr Ausführungen zur strategischen Partnerschaft. So richtig es für unser Land ist, dass wir uns bemühen, auch mit den Beitrittsländern aus unserem Teil Europas eine verstärkte Zusammenarbeit, eine Partnerschaft zu haben, so müssen wir doch sehen, dass der, der für diese Erweiterung in der Union gesprochen hat und wirkt, vor allem Deutschland ist und nicht Österreich und dass man den Beitritt dieser Länder, vor allem Polens, in dem jeweiligen Land und in der EU stärker mit der Bundesrepublik Deutschland verknüpft als mit unserem Land.

Ich frage mich auch, ob es gescheit ist, die Frage der Beneš-Dekrete und der AVNOJ-Bestimmungen – obwohl ich der Meinung bin, dass es hiezu deutliche Erklärungen dieser Länder geben sollte, damit hier zu einer die Vergangenheit betreffenden Frage eine Klarstellung erfolgt – von unserer Seite aus mit dem EU-Beitritt dieser Länder zu verknüpfen. Dass uns das helfen wird, wenn wir mit diesen Ländern eine stärkere Partnerschaft aufbauen wollen, das bezweifle ich!


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite