Wir wollen uns auch in keiner Weise von einem unangenehmen Problem befreien. Sie haben Recht, Frau Abgeordnete Stoisits: Einen Schlussstrich in Gedanken, einen Schlussstrich unter die Geschichte kann und soll es dabei niemals geben, was aber erwartet werden muss – und das ist ja sozusagen der Kern dieses heutigen Vertragswerks –, ist, dass wir dieses eins zu eins umsetzen, möglichst punktgenau. Es muss Rechtssicherheit geben. Einem österreichischen Unternehmer wird man schwer erklären können – auch nicht der Gemeinde Wien oder dem Bund –, dass unter einem ganz besonderen Rechtstitel zwar eine sehr beträchtliche Geldzahlung eingesetzt, aber dafür nicht eine möglichst große und umfassende Rechtssicherheit gegeben wird.
Das heißt, dieser Vertrag ist nicht der moralische Schlussstrich unter alles, was geschehen ist, ist aber doch ein Versuch, eine möglichst große Rechtssicherheit für die Zukunft für alle Betroffenen in Österreich klarzustellen. Und das eint uns, meine Damen und Herren hier im Hohen Hause! Das ist die Basis dieses Vertrags, den Sie heute sozusagen in ein Gesetz umwandeln!
Ein Wort zu jenen Punkten, die hier zum Teil auch kritisch erwähnt wurden. Und erlauben Sie, dass ich dazu vielleicht auch sehr kritische Anmerkungen anbringe. Zuvor hat hier ein Abgeordneter etwas gesagt, was mich persönlich ins Herz getroffen hat – und dazu kann ich nicht schweigen, darf es eigentlich auch als österreichischer Bundeskanzler nicht. In diesem Debattenbeitrag wurde gesagt, es gebe drei Nachfolgestaaten NS-Deutschlands: die Bundesrepublik Deutschland, die DDR und Österreich. (Rufe bei der ÖVP: Ungeheuerlich!) – Meine Damen und Herren! Das ist einfach nicht richtig! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Dieses Österreich ist kein NS-Nachfolgestaat! Wir dürfen diesen Versuch der Umschreibung der Geschichte nicht hinnehmen! Ich sage das ganz, ganz deutlich, denn in diesem Vertragswerk, das Sie heute beschließen werden – mit den Regierungsstatements, die ja Teil dessen sind –, ist etwa die Moskauer Deklaration ausdrücklich erwähnt. Das habe ich persönlich mit Hilfe von Botschafter Sucharipa mit Stuart Eizenstat ausgehandelt. Das ist ein Dokument, das ja nicht von Österreich kommt, sondern von den Alliierten, in welchem übrigens nicht nur die Opferrolle Österreichs, sondern auch die Verantwortung der Österreicher, vor der wir uns nicht drücken können, beschrieben wird.
Aber wir dürfen da auch keine Drehung weiter machen und sagen, Österreich sei quasi ein Nachfolgestaat Nazi-Deutschlands! (Abg. Ing. Westenthaler: Unfassbar!) Meine Damen und Herren! Das ist nicht wahr, und das ist auch der Grund, warum Österreich im Jahre 1945 – die Dramatik dieses Unterschiedes ist vielleicht gar nicht allen hier bewusst – eine gesamtösterreichische Bundesregierung bekommen hat. Und das ist auch der Grund, warum Österreich 1955 einen Staats vertrag und nicht einen Friedens vertrag bekommen hat!
Und das ist weiters auch der Grund, warum in den Protokollen der Nürnberger Prozesse, in der Urteilsbegründung, klar der Unterschied zwischen der Aggression der militärischen Besetzung Österreichs und der Besetzung anderer Länder festgehalten wurde. Das sind – das weiß ich schon – für den unvoreingenommenen Beobachter nur Nuancen, jedoch Nuancen, die ebenso Teil unserer Geschichte sind und nicht weggeblendet werden dürfen – und auch gar nicht weggeblendet werden sollen, meine Damen und Herren des Hohen Hauses. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Ein weiterer Punkt: Da hier Sensibilität eingemahnt wurde, bitte auch ich um Fairness, denn ich, denn wir haben den Insolvenzfonds nicht "geplündert". Darf ich erklären, worum es dabei geht. Wir haben vorgehabt – das ist Teil des Regierungsprogramms –, die Arbeitgeberbeiträge zu senken, denn die Wirtschaft zahlt ja in den Insolvenzfonds ein, in einen Fonds, der beträchtliche Überschüsse hat, und zwar durch die gute Konjunkturlage und so weiter. Es war also Teil des Regierungsübereinkommens, dass die Arbeitgeberbeiträge gesenkt werden. Und ich sage auch offen dazu, dass wir diese Beitragssenkung aufgeschoben haben, um den Beitrag der Wirtschaft dazu deutlicher sichtbar zu machen. – Das geschah nicht zur Freude der Wirtschaft.