Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 56. Sitzung / Seite 74

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Wende in der Agrarpolitik zu reden, und ich meine, man sollte diese Chance auch nutzen. Ich verstehe daher diese Verteidigungsstrategie nicht. Worum es eigentlich geht, ist, dass wir – und da stimme ich mit einigen Vorrednern durchaus überein – eine gemeinsame Agrarpolitik so zu formulieren haben, dass sie sowohl den Ansprüchen der Bauernschaft, was das Einkommen betrifft, als auch natürlich den Anforderungen im Konsumentenbereich gerecht wird.

Dabei geht es nicht nur unmittelbar um den Konsumenten, sondern auch um jene, die in dieser Region leben. Es geht darum, dass auch die Landschaft intakt ist. Das bedeutet, dass dieses Dreieck zu betrachten ist, dass wir nicht über Schuldzuweisungen zu diskutieren haben, aber dennoch feststellen müssen, dass sich einiges in Schieflage befindet.

Es ist so, dass man bei einer solchen Gelegenheit zwei Strategien verfolgen kann. Die eine Strategie ist die, dass man es wegschiebt. Dann verändert sich nichts zum Guten. Die andere ist die, dass man die Diskussion offensiv aufnimmt und in hervorragender Weise einen Schritt vorwärts setzt, nämlich im Interesse aller, und dass man letztlich auch Fahnenträger in Europa für diese Wendepolitik im Agrarbereich wird. Das halte ich für ungemein wichtig, meine sehr geschätzten Damen und Herren.

Ich sage das als einer, der aus dem Weinviertel kommt. Wir haben einmal die große Diskussion über den Weinskandal gehabt. Einige Jahre später hatten wir wieder einen hervorragenden Wein, und es ist eigentlich so etwas wie eine Gesundung der Weinwirtschaft passiert. Wenn ich also diesen Fleischskandal, der heute diskutiert wird, als eine Chance betrachte, dann ersuche ich Sie, das Offensivargument stärker in Betracht zu ziehen. Ich denke nicht, dass man nur davon sprechen kann, dass sich einige schwarze Schafe unter den Bauern befinden. Es sind nämlich schon zu viele, und das bedeutet, dass man zugeben muss, dass die Agrarpolitik in eine gewisse Sackgasse geraten ist.

Auch ich weiß, dass die Agrarpolitik und nicht nur die Bauernschaft unter enormem Druck steht, bestimmte internationale Spielregeln zu beachten. Aber da muss man sich fragen: Wie kann man die Spielregeln auch international verändern? Das bedeutet, dass man da einen Schwerpunkt zu setzen hat. Und es ist gut – das sage ich gleich dazu –, wenn man dann in der internationalen Diskussion so etwas wie ein Modell hat, das man vorweisen kann, damit man sagen kann: In Österreich haben wir diese gesunden Nahrungsmittel, in Österreich haben wir eine bäuerliche Struktur, die das letztlich doch sicherstellt oder eher sicherstellt.

Herr Bundesminister! Ich meine, niemand, der sich schon längere Zeit in der Politik bewegt, hat nicht in einem bestimmten Umfang gewisse Wahrnehmungen gehabt. Es geht dann immer darum, ob man diese Wahrnehmungen ernst nimmt oder ob man sie eben unter den Teppich kehren möchte.

Ich habe immer gefordert, dass wir zum Beispiel in der Frage der Kontrolle durchaus die Veterinärseite mehr einbeziehen. In Wirklichkeit ist einer der Gründe, warum vieles entstanden ist, auch darin zu sehen, dass die Veterinärseite im Wesentlichen hinausgedrängt wurde, manchmal aus Kostengründen, manchmal auch aus anderen Überlegungen, weil man da vielleicht mehr einsetzen konnte, als es gut war. Daher glaube ich, dass das nicht rein zufällig ist, denn wenn der Ärztekammer-Präsident davon spricht, dass das der größte Skandal in der Ernährungsgeschichte unseres Landes ist, so ist das schon eine Stimme, die gewichtig ist.

Es ist auch nicht so, dass zum Beispiel Universitätsprofessor Dr. Maximilian Schuh nicht schon lange über die Praktiken in der Schweineproduktion berichtet und auch immer wieder darauf hingewiesen hätte – es wurde auch von der Tierärztekammer ein Dossier erstellt, aber die Warnungen wurden mehr oder weniger nicht ernst genommen, und es wurde keine ausreichende Gegenstrategie ergriffen.

Aus diesem Grund, Herr Bundesminister, ist es schon so – denn auch wenn Sie vielleicht nicht unmittelbar derjenige sind, der diese Agrarpolitik will, so haben Sie diese doch zu vertreten; ich sage das sehr deutlich –, dass die Frage einfach erlaubt sein muss: Wie viel haben Sie gewusst, und wann haben Sie es gewusst? – Ich habe Ihnen heute schon die Frage gestellt, wie es sein


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